nd-aktuell.de / 05.11.2012 / Politik

Den roten Faden weiterspinnen zur sozial-libertären ökologischen Transformation!

Ulrich Schachtschneider über den PLAN B der Linken

Ulrich Schachtschneider
Ohne soziale Gerechtigkeit kein ökologischer Umbau und keine nachhaltige Lebensweise. Diese linke Binsenweisheit führte bisher nicht automatisch zu einer überzeugenden linken sozial-ökologischen Transformationsidee. Zum Beispiel dann nicht, wenn jeglicher ökologischer und regulatorischer Fortschritt im jetzigen System als bestenfalls gut gemeint, aber letztlich systemstabilisierend abgekanzelt wird. Aber auch dann nicht, wenn der Umbau zweistufig gedacht wird: Erst machen wir unsere Gesellschaft gleicher und gerechter und dann in einer zweiten Phase können wir auch ökologischer werden. PLAN B[1] dagegen hat einen integrativen Anspruch: Mit mehr Ökologie soll die Gesellschaft gerechter und mit mehr sozialer Gerechtigkeit soll sie ökologischer werden können. Der rote Faden für einen solchen Reformprozess wickelt sich aus vier Strängen:

Erstens: (Ökonomische) „Gleichheit statt Klassenspaltung" soll allen Menschen auch die ökonomische Chance zu ökologischem Verhalten eröffnen. Nur bei mehr Einkommensgleichheit kann die Idee der ökologischen Steuerreform, das Falsche zu verteuern und das Richtige zu belohnen, umgesetzt werden. Ansonsten verschärfen solche ökonomischen Instrumente zur Steuerung eines umweltgerechteren Konsumverhaltens soziale Ungleichheit. Während beim Green New Deal die durch Verteuerung von Umweltverbrauch sich erneuernde „soziale Frage" über neue Arbeitsplätze gelöst werden soll, fordert PLAN B eine Umverteilung der Einkommen. Dies ist eine entscheidende Differenz: Denn es ist keineswegs garantiert, dass die neuen Öko-Jobs auch fair bezahlt werden – eher das Gegenteil ist gegenwärtig in Branchen wie der Windenergie etc zu beklagen.

Zweitens: „Teilhabe statt ständige Unsicherheit" durch monetäre und materielle Sicherheit. Sicheres Einkommen und Zugang zu Gemeingütern ermöglicht die für eine Akzeptanz des tiefgreifenden Wandels an Arbeitsplätzen, - strukturen und -qualifikationen nötige sozialpsychologische Situation, die „Angstfreiheit im Wandel". Wie viele eigentlich als ökologisch schädlich oder als sozial zweifelhaft längst erkannte Produktionen werden heute nolens volens akzeptiert, wenn nicht sogar gefördert, weil daran in der arbeitsplatzfokussierten Regulation der kapitalistischen Ökonomie elementar die persönliche Existenz gekoppelt ist? Während im Green New Deal die Sorgen der Menschen mit der Aussicht auf neue Arbeitsplätze beruhigt werden sollen, besteht das Konzept hier in der Garantie sozialer Sicherheit.
Ob die vorgeschlagenen Mittel (zwei Jahre Transfergesellschaft, Recht auf Arbeit, max. 40 Std/Woche, Arbeitszeitverkürzung, Zugang zu bestimmten öffentlichen Gütern) ein ausreichendes Sicherheitsgefühl im Wandel ermöglichen oder doch noch zu eng an einen Arbeitsplatzbesitz gekoppelt sind, darüber kann sicher noch gestritten werden. Die Grundintention - mehr soziale Sicherheit als Basis für Veränderung - ist genau richtig.

Drittens: „Politische Lenkung statt schrankenloser Markt" fordert eine Planung der ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen für das Handeln von Unternehmen und Konsumenten. Die ökologischen und sozial schädlichen Folgen des Marktes können eingegrenzt werden, ohne ihn als ökonomische Struktur per se zu verdammen. Seine positiven Gehalte der Innovativität, der flexiblen Koordinierung, der selbstbestimmten ökonomischen Lebensplanung scheinen hier erfreulicherweise endlich auch in einem Politikentwurf der Linken gewürdigt worden zu sein. Die schlichte, aber falsche Antithese zum kapitalistischen Markt: „Wir planen alle unsere Produktion und Konsumtion – am besten in einem permanenten basisdemokratischen Diskurs" ist einer Synthese von Planung und Marktfreiheit gewichen, die Markt genauso wie verschiedene Eigentumsformen emotionsloser hinsichtlich ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile bewertet.

„Mehr Demokratie" in Wirtschaft und Gesellschaft stellt das vierte Rückgrat für den PLAN B dar. Politik muss gestalten können gegenüber den systemischen Imperativen der Märkte und der Machtzirkel. Dazu wird mehr Bürgerbeteiligung durch verschiedenste Verfahren (Beiräte, Planungszellen, Bürgerpanels, Bürgerentscheide etc) eingefordert. Ungeklärt bleibt aber das Verhältnis von repräsentativer und direkter Demokratie. Zudem ist zu fragen, in welchem Maße diese Verfahren, die ja seit einigen Jahren sukzessive in die politische Regulierung eingeführt werden, Markt- und Machtdynamiken wirklich zurückdrängen können. Es gibt kein richtiges lokales Leben im falschen ökonomischen und politischen Rahmen.

Vom Green New Deal zur sozial-libertären ökologischen Transformation. Während „Politische Lenkung" von Märkten sowie „Mehr Demokratie" in ähnlicher Weise auch in den hegemonialen Green New Deal - Konzeptionen und Nachhaltigkeitsstrategien gefordert wird, weisen „Gleichheit statt Spaltung" und „Sicherheit im Wandel" auf einen „Sozialen Green New Deal". Das Soziale meint hier nicht nur neue Arbeitsplätze und Chancen auf persönliche Qualifikationssprünge (wie im Green New Deal), sondern mehr ökonomische Gleichheit und mehr ökonomische Lebenssicherheit. Ohne Gleichheit keine Ökologie – das ist die eine notwendige Intervention der Linken - und hier bringt PLAN B einen guten Aufschlag.
Doch es reicht nicht aus, den Green New Deal sozialer zu machen. Eine ökologische Lebensweise darf nicht nur als notwendige Änderung daherkommen, sondern muss als Befreiung aus beengenden, stressigen, sozial isolierenden Verhältnissen ihre Attraktivität entfalten. Bestandteil einer solchen Vision wäre etwa Zeitwohlstand, wäre etwa ein Leben in mehr – frei gewählten – Gemeinschaften, wäre ein Leben mit mehr individuellen Freiräumen, aber weniger Konsum- und Erwerbsdruck.
Für ein Projekt zum sozial-ökologischen Umbau der LINKEN ergeben sich daraus mindestens zwei Ansprüche: Erstens sind alle vorgeschlagenen Reformmaßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit freiheitlich-ökologischeren Lebensstilen – welcher konkreten Natur auch immer – hin zu überprüfen. Zu fragen wäre etwa:

Führen sie zu Freiräumen, in denen neue Lebensstile ausprobiert werden können?
Bewirken sie mehr Entscheidungsspielräume für den Einzelnen, auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Leben?
Befördern sie nicht-konsumtive Selbstverwirklichung?
Entschleunigen sie das alltägliche Leben?

PLAN B muss zweitens deutlicher als bisher zeigen, in welcher Weise sich mit ihm die Gesellschaft so ändert, dass erfüllendere, freiheitlich-ökologischere Lebensstile für alle Bevölkerungsschichten befördert werden. Das wäre eine Vision für eine „sozial-libertäre ökologische Transformation" (oder auch einen „sozial-libertären Green New Deal") als eine neue soziale Idee: Die Verbindung von mehr Ökologie, mehr wirtschaftlicher Gleichheit und mehr Freiheit für alle.

Lesen Sie Plan B komplett hier[2].
Mehr Infos unter www.plan-b-mitmachen.de[3]

Ulrich Schachtschneider ist Energieberater und freier Sozialwissenschaftler.

Links:

  1. http://www.plan-b-mitmachen.de/wp-content/uploads/2012/06/120511-Plan-B-komplett-low.pdf
  2. http://www.plan-b-mitmachen.de/wp-content/uploads/2012/06/120511-Plan-B-komplett-low.pdf
  3. https://www.plan-b-mitmachen.de