nd-aktuell.de / 06.11.2012 / Politik / Seite 3

Der Amtsinhaber: Barack Obama

Reiner Oschmann

Barack Obama (51) ist seit Januar 2009 der 44. Präsident der USA und hofft heute auf seine zweite Amtszeit. Vor vier Jahren war der Kandidat der Demokraten seinem damaligen Kontrahenten John McCain (Republikaner) klar überlegen und mit der Botschaft von »Hoffnung« und »Wandel« ins Weiße Haus gekommen. Beides blieb in den Augen vieler US-Amerikaner aus, weshalb Obamas zweiter Wahlsieg alles andere als sicher ist. Zwar verzeichnet er passable Sympathiewerte, in denen sich die Anerkennung des brutalen Erbes von George W. Bush sowie seiner persönlichen Integrität widerspiegeln. Doch vor allem die Wirtschaftskrise mit ebenso hoher wie inzwischen hartnäckiger Arbeitslosigkeit, mit Rekordzahlen bei Pleiten und Zwangsräumungen (sieben Millionen allein 2011) kreiden viele Wähler letztlich ihm an.

Die Krise bestärkt viele US-Amerikaner in dem Gefühl, dass sich ihr Land auf falschem Kurs und dem Weg in die Zweitklassigkeit befindet. An die Stelle von Selbstbewusstsein und Zuversicht sind Verunsicherung und Selbstzweifel getreten. In solcher Kulisse geht vom Präsidenten keine Strahlkraft aus. Vor allem nicht, wenn er wie Obama im Bemühen, platten Populismus zu meiden, oft professoral, ja abwesend erscheint. Dieser Eindruck war es auch, der Obama in der ersten der Fernsehdebatten mit Herausforderer Romney vier Wochen vor der Wahl seinen Umfragevorsprung kostete.

Das Bild des fürsorglichen Landesvaters, das er danach in der Herausforderung durch Hurrikan »Sandy« abgab, könnte ihm heute späte Gunst erweisen: Der einstige Sozialarbeiter aus Chicago sah sich durch die stürmische Natur in die Gnade des wirksamsten aller Wahlkämpfe gestellt - des oberkommandierenden Bürgers, der in Gummistiefeln und offenem Hemd fälschlich, aber guten Gewissens sagen kann, ihn treibe nur das Wohl der Menschen und nicht das einer Wahl um ...

Obamas Bilanz ist überschattet: ein zweideutiger Truppenabzug aus Irak, eine offene Kriegswunde in Afghanistan und das Geschwür von Guantanamo. Eine verwässerte, trotzdem fortschrittliche Gesundheitsreform, die noch nicht am sicheren Ufer ist. Schritte zu mehr Gleichberechtigung von Frauen im Beruf sowie von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Ein Präsident, der erstmals die seit 1945 ungebrochene Linie der Konfrontation gegenüber Russland auf Kooperation umgestellt hat. Ein Präsident, der Osama bin Laden - aber durch persönliche Billigung von Drohnen - auch Unschuldige töten lässt. Schließlich, wie Präsidentenhistoriker Richard Norton Smith schrieb: »Das Schlimmste, was Barack Obama passieren konnte, war, ihm einen Mythos aufzuhalsen, bevor er ihn sich verdient hatte. Der Friedensnobelpreis, neun Monate nach Amtsantritt, wirkt heute beinahe komisch.«