Der brodelnde Kampf um den Stern

Morgen werden wieder die besten Restaurants Deutschlands ausgezeichnet

  • Ingo Senft-Werner, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
In den Feinschmeckerküchen steigt die Temperatur - bei den Köchen. In der kommenden Woche lässt Reifenhersteller Michelin wieder Sterne aufgehen und verglühen. Es gibt jedoch auch Küchenchefs, denen das schnuppe ist.

»Einen Stern zu bekommen, ist wie Geburtstag, Weihnachten und Silvester an einem Tag.« Dieses Gefühl will Bernhard Zepf, Inhaber des Restaurants »Erbprinz« in Ettlingen bei Karlsruhe, in den nächsten Tagen wieder erleben. Gemeinsam mit vielen anderen Restaurantbesitzern und Köchen wartet er auf den in Karlsruhe verlegten Michelin-Führer, der morgen in Berlin vorgestellt wird. Die Gaumen der Tester entscheiden, wohin die Feinschmeckergemeinde zieht. Es gibt aber auch Köche, denen ist der Rummel um die Sterne schlicht schnuppe.

Nicht so Zepf. Der »Erbprinz« gehörte in den 60er Jahren zu den ersten Häusern in Deutschland, die einen Stern erhielten, später bekam er für einige Jahre sogar noch einen zweiten, seit 2008 strahlt nichts mehr. »Wir waren leichtsinnig«, erzählt Zepf geknickt. »Wenn einem der Stern genommen wird, ist das so, wie wenn einen die Frau verlässt.« Mit neuer Küche und neuem Küchenchef will er den Stern zurückerobern.

Ein Stern lockt nicht nur Neugierige und Feinschmecker, er bringt auch fähige Mitarbeiter in die Küche, erzählt Sören Anders. Der 26-Jährige hatte sich in Karlsruhe bereits einen Stern verdient. Den musste er aber zurücklassen, als er im August im »Klenerts« im benachbarten Durlach seine eigene Küche aufmachte.

»Damals war ich unheimlich stolz, aber im Alter wird man abgeklärter«, erzählt der immer noch junge Mann mit einem Lachen. Inzwischen ist er Fernsehkoch und sieht die Zukunft positiv. »Man sollte sein Leben nicht nach den Sternen richten«, sagt er.

Das ist nicht einfach, wenn die Küche in Baiersbronn steht, jenem Dorf im Schwarzwald mit der höchsten Sternendichte. Harald Wohlfahrt von der »Schwarzwaldstube« verteidigt seine drei Sterne seit 20 Jahren. »Ich möchte nicht erleben, dass ich einen davon verliere«, sagt er lapidar.

Aus dieser Tretmühle hat sich Benjamin Breitenbach verabschiedet. Sein Sterne-Haus in Stuttgart hat er gegen das »Restaurant Knote« in Sindelfingen eingetauscht mit gut schwäbischer Küche. Mit 43 wollte er als frischgebackener Vater kürzertreten. »Es ist ein Trugschluss, dass man als Sternekoch gut verdient. Wenn 20 Köche für 18 Gäste kochen, könne sich das nicht rechnen. Jetzt bewirtet er mit nur einem Helfer wesentlich mehr Gäste als früher.

Den Sterne-Stress will sich auch Anita Jollit kurz vor der Rente nicht mehr antun. Zwölf Jahre funkelte die Auszeichnung, vor acht Jahren verglühte sie. Als Sterneköchin musste sie hier Interviews geben, dort Schaukochen veranstalten und gleichzeitig in ihrer eigenen Küche stehen. »Das habe ich gehasst.« Ihr Stammpublikum ist auch ohne Stern treugeblieben. Und neue Gäste sind hinzugekommen - jene, die gut essen wollen, aber sich nicht in ein Sternerestaurant trauen. »Diese Schwellenangst fällt bei uns weg.«

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