nd-aktuell.de / 14.11.2012 / Politik / Seite 20

Zwei Jahre für Anstiftung zum »Facebook-Mord«

Winsies Vater nennt die Strafe lächerlich

Annette Birschel, dpa

Für den Vater ist es ein »schwarzer Tag«. Zwei Jahre Haft und Therapie gibt es für die Anstifter zum Mord an seiner Tochter. »Das ist lächerlich«, sagte Chun Nam Hau am Montag in Arnheim. Im Januar wurde seine 15-jährige Tochter Winsie ermordet. Sie musste sterben, weil sie Klatsch auf Facebook verbreitet hatte.

»Es ist eine erwachsene Tat«, erkannte auch Richter Marcel Snijders an. Doch die Schuldigen sind selbst noch Jugendliche und bekamen nun die Höchststrafe für Minderjährige. Zum Tatzeitpunkt waren sie 16 und 17 Jahre alt. Für manche Niederländer sind die Urteile zu niedrig. Der Fall wird der »Facebook-Mord« genannt. Angefangen hatte alles mit bösem Klatsch in dem sozialen Netzwerk. Die 15-jährige Winsie soll verbreitet haben, dass ihre einst beste Freundin Polly Sex mit mehreren Jungen hatte. Dafür wollte Polly sich rächen. Wochenlang schmiedete sie mit ihrem Freund ein Mordkomplott. Der Täter wurde übers Internet gefunden, das Pärchen versprach ihm Geld.

Am 14. Januar hatte er im Eingang von Winsies Elternhaus in Arnheim auf die Jugendliche eingestochen. »Ganz bewusst in Hals und Gesicht«, hatte das Gericht festgestellt. Vorher soll er gerufen haben: »Sorry, ich muss das tun.« Der Vater wurde beim Versuch, seiner Tochter zu helfen, ebenfalls mit dem Messer angefallen. Winsie starb fünf Tage später.

Der Täter wurde bereits im September verurteilt, zur Höchststrafe für Jugendliche bis 15 Jahre: ein Jahr Haft und Zwangstherapie. Zum Zeitpunkt der Tat war er 14.

Nach den Urteilen bleibt die Erschütterung groß. »Dass eine Freundschaft durch einen trivialen Streit in Hass und Mord endet, schockiert und ist nicht zu begreifen«, sagte Snijders. Er meint, dass die treibende Kraft die einstige Freundin von Winsie war. »Polly ging kalt und berechnend vor.«

Sie hatte die 15-Jährige mehrfach bedroht, auf Facebook, über SMS und öffentlich in einer Billardhalle. »Ich ermorde dich, hat sie gesagt«, erinnern sich Freundinnen von Winsie. Doch keiner habe das ernst genommen, sagt Eline in einer erschütternden Dokumentation des niederländischen Fernsehens. »Das ist doch nur Gerede«, hatte sie Winsie beruhigt. »Polly sagt so was häufiger.«

Die Jungen hätten sich dem wütenden Mädchen widersetzen können, meinen die Richter. Stattdessen wurde Pollys Freund zum Anstifter und ein 14-jähriger zum Auftragsmörder. Er wollte dazugehören, meinen Winsies Freunde.

Alle drei Schuldigen sind, so Gutachter, psychisch und emotional gestört. Die Richter setzen daher mehr auf Therapie statt Strafe. Der Vater des ermordeten Mädchens hofft, dass andere Eltern aufgerüttelt werden. »Die Gefahren durch chatten und Soziale Medien werden unterschätzt.«

Beleidigungen aus dem Internet können große Folgen haben, warnt auch Remco Pijpers, der Direktor der Stiftung »Mein Kind online«, die Eltern bei der Internetnutzung ihrer Kinder berät. »Dann ist man plötzlich vor Hunderten Facebook-Freunden blamiert.«