Kammer. Diener

Klassik I:

  • Jan Helbig
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Zusammenhang kann seine kriminelle Note nicht verbergen, dennoch hat es mild muffigen Charme: In Medien des 21. Jahrhunderts ist die Rede plötzlich wieder vom - Kammerdiener. Der Kontext ist der Papst; die Ermittlungen rund um den Geheimnisverrat des bereits verurteilten Kammerdieners von Benedikt XVI. nehmen kein Ende.

Kammerdiener - da darf man sofort an Schiller denken, »Kabale und Liebe«, die Entsendung der soldatischen Landeskinder in den Kolonialkrieg; der Kammerdiener als Mahner bei Lady Milford. In Lessings »Minna von Barnhelm« dann das weibliche Pendant, die Kammerzofe: Franziska als Lebenslust, die vor nichts Halt macht. »Mit den neuen Zeiten wird das Drama moderner, der König ein Enthaupteter, der Kammerdiener ein Befreiter.« So schrieb Grabbe. Nun ist er wieder da. Wo's doch längst nur Bodyguards gibt. Sind auch nur Kammerdiener - wenn man bedenkt, dass Obamas Dienstwagen über sieben Meter Länge misst. Kammergröße. Und die Strafkammer gibt es auch und lässt rätseln, wieso man darunter das Gericht fasst, nicht die Zelle.

Im Kammerdiener besaß die Knechtschaft ihren zufriedenen Adel. Bis die unteren Ständen Sozialrebellion anstifteten. Die Köchin übernahm - so wurde die Welt für bislang Herrschende zu Teufels Küche. »Zu einem richtigen Arbeiterstaaat/ gehört ein richtiger Kartoffelsalat«, dichtete Kurt Bartsch. Am Ende war es dem Arbeiterstaat egal, worauf er ausrutschte, beim fortwährenden Lauf um den heißen Brei herum.

Aber mal ehrlich: Kammerdiener - das ist doch bloß ein Unterwäschen-Vertrauter. Schüttelt die Fürze aus dem Hohen Schlüpfer. Und so erledigt ist der alte Begriff gar nicht. Es gibt ihn nämlich noch: den Reinwäscher, Wasserträger, Staubwedel, Bückling - gegen den Lessings Kammerdiener ein Held an Charakter war. Nur nennt der Heutige sich nicht mehr nach der Kammer, sondern nach einer weit engeren, ungemütlicheren, auf jeden Fall sehr kalten Bude: Staatsdiener.

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