nd-aktuell.de / 24.11.2012 / Kultur / Seite 49

Vom Waisen zum Religionsstifter

Tom Holland berichtet über Mohammed und seine Zeit

Martin Hardt

Es ist nicht leicht, über ereignisreiche, umwälzende, teils dramatische Geschichte lebendig und unterhaltsam zu schreiben. Tom Holland ist es mit seinem Buch über den Religionsstifter Mohammed und seine Zeit, die Spätantike, gelungen. Bei Wahrung wissenschaftlichen Anspruchs gibt er wertvolle Handreichung für den mit der Materie nicht so vertrauten Leser. Allein 96 Seiten umfassen Zeittafeln, Glossar und Quellennachweise. Schauplatz seiner Geschichte sind der Nahe und Mittlere Osten, Kleinasien und Arabien

Dort war die Bühne, auf der im 6. und 7. Jahrhundert der Islam seinen Auftritt in der Geschichte bot. Es war eine Zeit des Verfalls und Zerfalls, es bekriegten sich Byzanz und das Persische Reich. Ein günstiger Nährboden für einen neuen Gründungsmythos. Die multiethnischen und multireligiösen Gesellschaften befanden sich in politischer wie kultureller Auflösung. Es war die Zeit des Mänichäismus und Zoroastrismus, das Christentum hatte sich etabliert. Zu den großen einflussreichen Religionen gehörte auch das Judentum. Ungefähr die Hälfte des Buches schildert die große Auseinandersetzung zwischen Byzanz und Persien, die nach 25 Jahren opferreichen Schlachtens anno 628 n. Chr. mit dem Untergang Persiens endet. Da war Mohammmed schon 58 Jahre alt.

Mit sechs Jahren zum Waisen in einer Welt geworden, in der Familie und Stamm über Sein und Nichtsein bestimmten, erhielt er erst als Ehegatte einer reichen Kaufmannswitwe aus dem dominierenden Stamm der Quraisch den sozialen Status, um als Seher gehört zu werden. Seine neue Ordnung gab dem Individuum eine bisher ungekannte Unabhängigkeit gegenüber irdischen Mächten, weil allein das intime Verhältnis des Einzelnen gegenüber Gott zählen sollte. Und so ist es wohl kein Wunder, wenn abseits des großen politischen, religiösen und militärischen Kampfgeschehens der Gottkönigtümer und Großmächte jener Zeit in Arabien eine neue Ordnung entstand. Sie war Absetzung von und Neuinterpretation bekannter gesellschaftlicher Normen der Spätantike in einem.

Tom Holland: Im Schatten des Schwertes. Mohammed und die Entstehung des arabischen Weltreichs. Klett-Cotta. 532 S., geb., 29,95 €