Gar nicht so rein

Steffen Schmidt über Kläranlagen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.

Dank einer Vielzahl in den vergangenen 20 Jahren neu gebauter Kläranlagen, nicht zuletzt bei den verbliebenen Chemieunternehmen, hat sich der Zustand ostdeutscher Flüsse erheblich verbessert. In zuvor nahezu toten Gewässern leben heute wieder Fische. Die Sache hat allerdings einige Haken: Zum einen sind die Anlagen im Osten Deutschlands vielerorts so überdimensioniert, dass die laufenden Kosten jeden vernünftigen Rahmen sprengen. Und zum anderen - das gilt für Ost und West gleichermaßen - ist das Wasser dann doch nicht gar so rein. Und das meint nicht den Kampf um das letzte Gramm Stickstoff, den manche Abwasserexperten als überzogen kritisieren, sondern die geringen, aber biologisch sehr wirksamen Überreste von Medikamenten und Pestiziden.

Nach langen Debatten in Expertenzirkeln hatte die Europäische Kommission endlich eine Liste der kritischen Substanzen vorgelegt. Neben einigen Pestiziden aus der Landwirtschaft, die man vielleicht verbieten könnte, stehen mit Diclofenac und zwei synthetischen Östrogenen aus der Antibabypille erstmals auch Arzneimittel auf dieser Liste, die nicht ohne Weiteres aus dem Verkehr gezogen werden könnten. Quelle dieser Substanzen sind die Ausscheidungen der Menschen, die die jeweiligen Medikamente einnehmen und - das legte jedenfalls eine französische Studie zu Östrogenen vor zwei Jahren nahe - die Abwässer mancher Hersteller. Die Auswirkung der Östrogene: Die Fortpflanzungsfähigkeit der Fische geht zurück, es kommt zu Missbildungen.

Kläranlagen könnten diese Stoffe auf die Schnelle erst mal nur mit relativ teuren Aktivkohlefiltern zurückhalten. Neue Filtersysteme sind erst in der Entwicklung. Der Verband Kommunaler Unternehmen zeigte sich denn auch zufrieden, dass sich bei der Debatte im Europaparlament deutlicher Widerstand gegen die Aufnahme der Arzneiwirkstoffe zeigte. Bleibt zu hoffen, dass der Umweltausschuss in dieser Woche bei seinem Beschluss nicht auf diese Lobbyisten hört. Den Männern im Ausschuss sei gesagt: Ein Teil der Wirkstoffe sickert auch ins Trinkwasser.

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