nd-aktuell.de / 26.11.2012 / Kultur / Seite 15

»Verehrte Fernsehfreunde!«

TV II: Margit Schaumäker gestorben

Es schien, als hätte das Fernsehen damals noch Scheu, als verfüge es noch über Respekt. Ja, es schien, als wisse das Fernsehen sehr früh um seine äußerst direkte Wesensart, in fremde Wohnzimmer einzudringen, und als wolle es daher diesem zwangsläufig derben Verhalten eine abmildernde Begleitform geben. Zur Neugier, die es befriedigte, musste also unbedingt etwas kommen, das dem abendlichen »Hausfriedensbruch« Sympathie beimischte. So kam die Ansagerin in die Welt.

Und wie Sigmund Jähn der erste (Ost-)Deutsche im All werden würde, so war Margit Schaumäker quasi die erste (Ost-)Deutsche im Äther, die durch ein Fernsehprogramm führte: im Oktober 1952. Der Text-Text: »Verehrte Fernsehfreunde! Das Staatliche Rundfunkkomitee, Fernsehzentrum Berlin, eröffnet sein offizielles Versuchsprogramm. Von heute ab wird Abend für Abend der Bildschirm Ihres Empfängers aufleuchten. Für zwei Stunden kommt das Leben unserer Republik, aber auch das Leben ferner Länder über den Äther in ihr Heim und in den Kulturraum Ihres Betriebes ...«

Schaumäker - 1925 geboren - avancierte ab offiziellem Sendestart Weihnachten 1952 zu einer der populärsten Adlershofer Ansagerinnen, die man in der DDR Programmsprecher nannte: schöne emanzipationsfreundliche Aufwertungspraxis. Schaumäker und andere (etwa Erika Radtke, Gerlind Ahnert, Marion van de Kamp, Maria Kühne, Fanny Damaschke, Jutta Pawlowsky) schrieben auf ihre Weise TV-Geschichte.

Am Schiller Theater in Westberlin hatte Schaumäker Schauspiel gelernt, in Senftenberg spielte sie das Gretchen - der Bildschirm reizte sie schließlich mehr als das Theater. Als sie 1964 aufhörte (Stippvisite bei der DEFA: Hauptrolle in »Modell Bianca«), wurde sie Redakteurin (»Prisma«) und Dramaturgin (u. a. Ulrich Theins »Martin Luther«).

Ansager(innen)? Vorbei. Trailer, Abspänne, Spots jagen einander. Der abendliche Hausfriedensbruch wurde TV-Leitkultur.

Am vergangenen Freitag starb Margit Schaumäker 87-jährig in Berlin. Hans-Dieter Schütt