nd-aktuell.de / 01.12.2012 / Kultur / Seite 20

Schmerzvoller Tod aus lauter Höflichkeit

nd STECKBRIEF - Einer war's (181)

Er entstammte einer adligen Familie, deren Mitglieder unter anderem Ratgeber des Königs und erfolgreiche Heerführer waren. Seine Kindheit verbrachte er auf dem Landsitz eines Onkels, wo er unter Anleitung mehrerer Hauslehrer eine vorzügliche Bildung erwarb. Bereits im Alter von 13 Jahren besuchte er die Universität und belegte dort die Fächer Philosophie und Rhetorik.

Was ihn jedoch am meisten interessierte, war der Sternenhimmel und alles, was dort geschah. Mit 14 Jahren wurde er Zeuge einer Sonnenfinsternis und mochte kaum glauben, dass Menschen den Termin dieses grandiosen Himmelsschauspiels im Voraus berechnet hatten. Am liebsten wäre er danach selbst Astronom geworden. Doch sein Onkel hatte anderes mit ihm vor und schickte ihn zum Studium der Rechte nach Leipzig. Während er hier tagsüber seine Pflichten erfüllte, konnte ihn des Nachts niemand davon abhalten, astronomische Beobachtungen anzustellen.

Nach drei Jahren kehrte er auf Wunsch seines Onkels zurück in seine Heimat und erbte dort, nachdem der Onkel gestorben war, ein beträchtliches Vermögen. Mit reichlich Geld in der Tasche fuhr er daraufhin erneut ins Ausland, unter anderem nach Wittenberg und Rostock, wo er sich ausgiebig mit Alchimie und Naturheilkunde beschäftigte.

Während dieser Zeit gerieten er und ein Kommilitone in Streit, wer von beiden wohl der bessere Mathematiker sei. Am Ende kam es zu einem Duell, bei dem er einen Teil seiner Nase einbüßte und deshalb den Rest seines Lebens gezwungen war, eine Art Prothese im Gesicht zu tragen.

Mit 24 Jahren wurde er an das Krankenbett seines Vaters gerufen. Er blieb anschließend einige Jahre in seiner Heimat und widmete sich vorwiegend alchimistischen Studien. Dann jedoch beobachtete er am Himmel das helle Aufleuchten eines neuen Sterns. Ehrfürchtig sprach er von einem »Wunder«, wie es seit Anbeginn der Welt nicht mehr gesehen worden sei. Denn nach der überkommenen Astronomie, die keine Veränderungen außerhalb der Mondbahn erlaubte, hätte ein solches Ereignis (von dem wir heute wissen, dass es eine Supernova war) niemals stattfinden dürfen. Gleichwohl verfasste er darüber ein Buch, das seinen Namen in ganz Europa bekannt machte.

Im Jahr darauf heiratete er, und zwar gegen alle Konventionen eine bürgerliche Frau, mit der er acht Kinder hatte. Nachdem er auf diese Weise seine familiären Verhältnisse geregelt hatte, gab es für ihn nur noch eins: Er wollte sein weiteres Leben der Beobachtung des Himmels widmen. Mit finanzieller Unterstützung des Königs ließ er nach eigenen Wünschen auf einer kleinen Insel zwei Sternwarten errichten. Hier arbeitete er insgesamt 21 Jahre und legte den Grundstein für sein höchst eigenwilliges System vom Aufbau des Kosmos. Dann überwarf er sich mit dem Königshof und verließ enttäuscht seine Heimat. Er ging nach Hamburg und später nach Prag, wo er eine Anstellung als kaiserlicher Mathematiker fand.

Bei seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde er von einem jungen Assistenten unterstützt, der die erhobenen Himmelsdaten später benutzte, um eine bahnbrechende Entdeckung zu machen. Und der, wie gelegentlich behauptet wird, den von uns Gesuchten aus Karrieregründen heimtückisch ermordet habe. Doch dieser starb nach heutigem Wissen eines natürlichen Todes, auch wenn dabei recht Merkwürdiges geschah: Während eines Gastmahls, bei dem viel getrunken wurde, verspürte er plötzlich einen starken Harndrang, verließ aber der höfischen Etikette wegen nicht den Tisch. Dadurch entstand wahrscheinlich ein Riss in seiner Blase, der ihm höllische Schmerzen bereitete. Erst jetzt begab er sich nach Hause, wo er außerdem hohes Fieber bekam und unter Schwindelanfällen litt. Zehn Tage währte sein Martyrium, dann verabschiedete er sich von seiner Familie und starb. Er wurde 54 Jahre alt.

Wer war's?

Für drei Gewinner dieser Folge stellt der Verlag Knesebeck den Band »Es ist möglich« mit Texten von Henning Mankell, Hans Christoph Buch und Ilija Trojanow zur Verfügung.

Die Frauenrechtlerin, nach der wir letztes Mal fragten, war:
Olymp de Gouges.

Gewonnen haben:
Bodo Rehfeldt, Calau;
Inge Rybka, Fredersdorf;
Birgit Steinke, Lengefeld.

Einsendeschluss:
24. Dezember (Poststempel)