Gegen Nantes (Frankreich) und Stockholm (Schweden) konnte sich Berlin durchsetzen. Die Hauptstadt wurde kürzlich von der Europäischen Kommission als barrierefreie Stadt 2013 ausgezeichnet. Zu Recht, meinen Behindertenverbände. Es gebe allerdings noch jede Menge zu tun. »Wir freuen uns über die Auszeichnung, denn in Berlin hat sich in den letzten 20 Jahren sehr viel verändert«, sagte André Nowak, der stellvertretende Vorsitzende des Berliner Behindertenverbandes. Das sei letztendlich ein Verdienst der Behinderten, die sich organisiert haben, um für ihre Rechte zu kämpfen. Jetzt dürfe sich die Stadt nicht auf der Auszeichnung ausruhen.
»Es gibt noch unzählige Barrieren im Alltag, die es abzubauen gilt. Rollstuhlfahrer kommen noch immer nicht in viele Arztpraxen und zum Beispiel auch nicht in den Fernsehturm.« Eine große Herausforderung bleibe zudem die Schaffung barrierefreien Wohnraums. Die Zahl der behindertengerecht ausgestatteten Wohnungen sei zu gering. »Wir fordern seit Jahren, am besten alle Wohnungen so zu gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. So könnten beispielsweise Rollstuhlfahrer auch Freunde besuchen, die nicht gehbehindert sind«, so Nowak.
Da die Bevölkerung immer älter wird, muss sich die Stadt ohnehin auf einen Wandel einstellen. Bis 2030 soll die Zahl der über 80-Jährigen auf 267 000 wachsen. Ein Anstieg um 80 Prozent. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht sich aber gerüstet. Der Senat habe das Problem erkannt und sich der Aufgabe angenommen, hieß es. Zwar könne eine Metropole wie Berlin nie völlig barrierefrei werden, trotzdem plane der Senat bei allen Neubauprojekten die Barrierefreiheit mit ein. So seien in den letzten Jahren mehrere verbindliche Handbücher für barrierefreie Bauordnungen entstanden. Alle Fußverkehrsverbindungen, alle Gehwege an Einmündungen und Kreuzungen sowie der gesamte Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) sollen bis 2020 barrierefrei nutzbar sein.
André Nowak lobt vor allem die BVG für ihre Bemühungen, warnte jedoch vor »Rückschritten«. Anlass ist die Absicht des Unternehmens, das sogenannte Kneeling - das automatische Absenken der Busse - nur noch bei Bedarf anzubieten. Viele Busse bieten das Kneeling im Rahmen der Testphase schon jetzt nicht mehr automatisch an. »Das ist eine Verschlechterung«, kritisierte Nowak. Initiativen und Behindertenvereine wehren sich dagegen. Nicht immer sei eine Behinderung für den Busfahrer ersichtlich. Ältere Menschen oder Eltern mit Kinderwagen würden zudem durch das Vorhaben ebenfalls benachteiligt.
Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin fordert von der BVG, ihre Bus- und Tramflotte mit Außenansagen auszustatten, die die Linie und das Fahrziel bekannt geben, um auch blinden und sehbehinderten Menschen die selbstständige Nutzung dieser Verkehrsmittel zu ermöglichen. »In anderen Großstädten Deutschlands wurde das schon längst eingeführt. Hier hinkt Berlin deutlich hinterher«, monierte Paloma Rändel, Sprecherin des Vereins.
Senatsverwaltung für Verkehr und Stadtentwicklung
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/806851.noch-viele-barrieren-in-der-stadt.html