nd-aktuell.de / 13.12.2012 / Politik / Seite 14

Einsame Ausbilder

IHK Neubrandenburg: Abbau des ÖPNV-Netzes erschwert Betrieben die Azubi-Suche

Martina Rathke, dpa
Koch, Metaller oder doch Bühnenmaler? Noch vor wenigen Jahren suchten Schüler verzweifelt nach Ausbildungsplätzen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns. Jetzt suchen die Betriebe. Doch wie Azubis bekommen, wenn der Betrieb mit dem Öffentlichen Nahverkehr nicht mehr zu erreichen ist?

Greifswald/Neubrandenburg. Die Industrrie- und Handelskammer Neubrandenburg sieht Handlungsbedarf bei Politik und Ausbildungsbetrieben, um künftig genügend Auszubildende für Unternehmen im östlichen Mecklenburg-Vorpommern zu finden. Mit einer Ausdünnung der Berufsschul- und der Verkehrsinfrastruktur werde der östliche Landesteil zunehmend unattraktiv für Auszubildende, warnte der IHK-Hauptgeschäftsführer Torsten Haasch in Greifswald.

Gerade im Hotel- und Gaststättenbereich gebe es stellenweise bereits erhebliche Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen. »Es werden vor allem die Ausbildungsbetriebe abgekoppelt, die für 15- und 16-Jährige mit dem Öffentlichen Personennahverkehr nicht zu erreichen sind.« Im IHK-Bereich Neubrandenburg standen in diesem Jahr durchschnittlich 1,2 Stellen je Bewerber zur Verfügung. Wegen der demografischen Entwicklung hätten inzwischen auch junge Bewerber ohne Schulabschluss Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, sagte Haasch. Er verwies auf eine Initiative des Lebensmittelkonzerns Netto, der in einem Vorqualifizierungsjahr Schüler ohne Abschluss sowie Azubis mit mehreren abgebrochenen Ausbildungsanläufen fit für eine Lehre im Handel mache.

»Die Unternehmen spüren, dass sie es sich heute nicht mehr erlauben können, eine gewisse Quote von Bewerbern aus dem Raster fallen zu lassen«, sagte Haasch. In diesem Jahr hatten 25 der 1320 neu gestarteten Azubis im IHK-Bezirk Neubrandenburg keinen Schulabschluss. Im Gegenzug sank der Anteil der Abiturienten bei den IHK-Ausbildungsberufen von 19 auf 15 Prozent - bislang sieht die Kammer darin keinen Grund zur Beunruhigung. Ziel sei es aber, die Zahl der Abiturienten in dieser Größenordnung zu halten, sagte Haasch. Die Entwicklung führt die IHK auf die gestiegene Neigung der Gymnasiasten zurück, studieren zu wollen. Zudem scheuten sich Banken inzwischen nicht mehr, mit Bewerbern mit mittlerer Reife einen Ausbildungsvertrag einzugehen. »Das war vor einigen Jahren noch ganz anders«, sagte Haasch.

Ausländische Azubis gehören im östlichen Landesteil noch zu den Exoten. Lediglich 58 der rund 4600 Auszubildenden in IHK-anerkannten Berufen kommen aus dem Ausland, darunter 31 aus Polen. »Das ist ein ganz zartes Pflänzchen«, sagte Haasch. Größtes Problem sei die Sprachbarriere. Während andere IHK-Bezirke bereits Kontakte nach Spanien knüpfen, um von dort junge Leute für eine Ausbildung nach Deutschland zu locken, ist das für die IHK Neubrandenburg bislang kein Thema. »Wir dürfen uns da nichts vormachen. Vorpommern wäre für die Spanier sicher nur die zweite oder dritte Wahl«, sagte Haasch. Vielmehr wolle die IHK ihre Aktivitäten auf Polen konzentrieren.

Es gebe aber auch Unternehmen, die trotz des Bewerberrückgangs keine Probleme mit dem Berufsnachwuchs hätten. Im Vorteil seien vor allem die Betriebe, die Auszubildenden gute Rahmenbedingungen und Karrierechancen böten, sagte Haasch. So gibt es auf der Insel Usedom Hotels, die ihren Azubis eine Unterkunft bieten und ihnen interessante Entwicklungsperspektiven aufzeigen. Jeder zehnte Azubi in Vorpommern kommt inzwischen aus einem anderen Bundesland - Spitzenreiter ist Brandenburg.