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»krähenkongreß«

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Nichts wird scheinbar weniger erwartet als der Winter. Regelmäßig heißt es von ihm, er breche herein. Wenn er beginnt, macht die Welt einen unvorbereiteten Eindruck wie selten. Woran erkennen wir den Wechsel zur kalten Jahreszeit? Im Fernsehen schneit es aus allen Programmen. Draußen nebelt der Atem der Menschen. Wer zu lange die Sichel des Mondes betrachtet, verfällt auf die Idee, sich mit ihr ein Stück aus der Zeit zu schneiden. Diese merkwürdige Sehnsucht, wenn unter Flocken so vieles verstummt - wir möchten dieser Sehnsucht folgen bis an einen äußersten weißen Rand. Die Bilder der Maler, die Verse der Dichter beschauen wir mit besonderer Aufmerksamkeit: ob da ein Dorf auf uns wartet, ein Licht - im Treiben des Frost beginnt der Mut, an eine Tür zu klopfen. Hinter uns Spuren über Spuren. Überall Versuche, eine Linie zu halten - Geradlinigkeit als nahezu unmögliche Kunst. Das einzig Klare, wenn der Tag nur ordentlich klirrt, ist die Sicht. Aber was wir suchen, bleibt unsichtbar.


Karl Krolow: Begrabene Zeit

Der Winter fällt
als tote Amsel
aus dem Nußstrauch.
In den Medaillons
frieren die Verstorbene
vor Liebeskälte.
Ihre ansteckende Traurigkeit,
wenn aus Lippen ein Mund wird,
der flüstert:
so weiß, so fern.

Wulf Kirsten: Winter

maulfaul hocken die häuser
in zugeknöpften kapuzen
vor ihren eignen schatten,
der violett zu abend geht.
auf unwirtlichen flächen
wildert der frost,
schlägt sich ins holz, ins fleisch.
eingeschworen auf der weißnäher gleißendes weiß
tagt der notorische krähenkongreß.

ein schneepflug kursiert, sachlich schiebt er beiseite
des winters sentimentale schönfärberein.

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