Die arme Louise! Ist krank, ängstigt sich zu Tode, weil die Gräfin von Plötzkau, ihre Zimmernachbarin in der Klinik des Dr. Lutze, plötzlich zu Tode kam. Und ihr Mann, der Freiherr von Eichendorff, ist sofort dermaßen vom Fall der »verschwundenen Gräfin« gepackt, dass er für seine Frau kaum einen Gedanken hat. Gerade mal, dass er ihr ausrichten lässt, sie möge »die Klinik des Doktors verlassen und das Spital der Mönche aufsuchen«.
Das allein Eichendorff zur Last zu legen, heißt den Mann außen vor lassen, der sich den Roman ausgedacht hat. Bernhard Spring, 1983 in Merseburg geboren, darf als Eichendorff-Kenner bezeichnet werden. Bereits 2010 hat er einen Krimi verfasst, in dem der Dichter seine detektivischen Fähigkeiten beweist. In »Folgen einer Landpartie« ist Eichendorff allerdings noch blutjung, stolpert gerade mal mit ersten Zeilen auf den literarischen Weg. Hier nun ist er ein berühmter Autor, nach dem sich die Leute auf der Straße umdrehen und den der Landesfürst persönlich kennenzulernen wünscht. Bekannt mit den Berühmtheiten seiner Zeit, aber insgeheim verstimmt, weil ihn jeder mit dem »Taugenichts« in Verbindung bringt, statt zu würdigen, was er seither geschrieben hat. »Literarisch gesehen gehörte er inzwischen zum alten Eisen ... Er war tatsächlich der letzte Romantiker.«
Mit viel Wissen und viel Einfühlung bringt uns Bernhard Spring nahe, wie es dem Dichter im Jahr 1855 ergeht. Nicht nur, in welcher Situation er sich persönlich befand, wird genau beschrieben, der Autor lässt seinen Helden auch genau die Veränderungen registrieren, die um ihn herum vor sich gehen. Die Epoche der Industrialisierung: Eichendorff vermag wohl zu würdigen, welchen Segen die Maschinen brachten, aber er registriert ebenso die Kehrseiten: Lärm, Verschmutzung, Verschandelung der Landschaft. »Der alte adelige Glanz verblasst zunehmend im fahlen Licht der Gaslampen ...« Wir können bei Bernhard Spring mitempfinden, was Standesbewusstsein ist, was es für einen Freiherrn bedeutet, sich für einen Bürger auszugeben. Wie Fürstenmacht sich despotisch gibt, aber schon ausgehöhlt ist ... Das alles soll von diesem Kriminalfall transportiert werden und mitunter erscheint dieser auch nur als Vehikel.
Die Gräfin: erstochen. Trifft den Homöopathen Dr. Lutze eine Schuld? Oder muss ein Student, der womöglich ein Liebhaber der Gräfin war, verdächtigt werden? Eichendorff lässt sich von seinen Enkeln - mal vom kleinen Max, mal vom älteren Otto - helfen. Recherchiert in Köthen, wo der Mord geschah, und begibt sich nach Halle. Seine Familie ist konsterniert, der Herzog verärgert. Am Schluss kann er natürlich den Mörder präsentieren (etwas unvermittelt, es scheint, als habe der Autor kürzen müssen). Nur so viel sei verraten: Der Gärtner war es nicht.
Bernhard Spring: Die verschwundene Gräfin. Ein Eichendorff-Krimi. Mitteldeutscher Verlag. 175 S., brosch., 9,90 €.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/808335.der-gaertner-war-es-nicht.html