nd-aktuell.de / 02.01.2013 / Politik

Trotz Glorie kein Reichtum

Vier LINKE-Kommunalpolitikerinnen kämpfen nach dem Wahlerfolg für messbare Veränderungen in Thüringen

Hans-Gerd Öfinger
Seit Juli stellt die Thüringer LINKE mit Katja Wolf (Eisenach), Petra Enders (Ilm-Kreis), Birgit Keller (Landkreis Nordhausen) und Michaele Sojka (Altenburger Land) drei Landrätinnen und eine Oberbürgermeisterin. Ihr Wahlsieg galt im Freistaat als kleine Sensation.

»Sicher gab es beim Amtswechsel Vorurteile«, erinnert sich Michaele Sojka: »Da kommt eine Frau und noch dazu eine LINKE!« Um Vertrauen aufzubauen, habe sie viel Zeit für das gegenseitige Kennenlernen aufgebracht. Auch ihre drei Kolleginnen haben Mitarbeiter, Betriebe und Schulen besucht und den Menschen zugehört.

Dass sie angesichts leerer Stadtkassen kaum Gestaltungsspielraum haben würde, war der neuen Eisenacher OB Katja Wolf vor ihrem Antritt klar. Weil die 42 000-Einwohner-Stadt zu klein für die mit der Kreisfreiheit verbundenen Aufgaben ist, strebt die neue OB eine »Rückkreisung« in den Wartburgkreis an. Eisenach war jahrelang ohne genehmigten Haushaltsplan und stellte unter dem Druck der Aufsichtsbehörden Schul- und Brückensanierungen ebenso zurück wie die Reparatur der Straße zum Weltkulturerbe Wartburg. Bachhaus und Theater am Markt waren bedroht.

So investierte Katja Wolf viel Zeit in ein inzwischen genehmigtes Haushaltssicherungskonzept, das höhere Einnahmen und Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen und Privatisierungen vorsieht. Von der Hundesteuererhöhung sind Sozialpass-Inhaber ausgenommen. Um den Einwohnern die Finanznot zu erklären und sie zu Vorschlägen zu ermuntern, setzt Wolf auf Bürgerversammlungen. Eine von ihr angeregte Spendensammlung für das Theater am Markt erbrachte 25 000 Euro und trug zur vorläufigen Sicherung des Hauses bei. Weil die Probleme der Industrie- und Kulturstadt auf den Nägeln brennen, forderte Wolf in einem von Wirtschaftsvertretern mit unterzeichneten Brief das Erfurter Finanzministerium auf, die Stadt Eisenach endlich »angemessen zu unterstützen«. Für eine bessere kommunale Finanzausstattung macht sich Katja Wolf zudem im Präsidium des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes stark.

Mehr Transparenz und Bürgernähe haben sich auch die linken Landrätinnen auf die Fahnen geschrieben. So lässt Petra Enders im März bei einer Fahrgastkonferenz die ÖPNV-Nutzer im Kreis zu Wort kommen. Die Facebook-Nutzerin Michaele Sojka stellte auf einer Online-Bürgerdialogplattform Kreishaushalt und Schulnetzplanung zur Diskussion. »Bei dieser öffentlich geführten Diskussion sind neue Ideen entstanden«, freut sie sich. Birgit Keller wird im März mit Dorfbewohnern über das Problem der Vereinsamung im ländlichen Raum reden. Damit es keine »Thüringer zweiter Klasse« gibt, sieht sie sich im Präsidium des Thüringer Landkreistages auch als Sprachrohr strukturschwacher ländlicher Regionen.

Gemeinsam haben die »Glorreichen Vier« - wie die Wahlsiegerinnen parteiintern und euphorisch genannt werden - , dass sie derzeit ohne »eigene Mehrheit« regieren und auf die Kommunalwahl 2014 hoffen. Sie wollen aber schon jetzt Zeichen setzen. Dazu gehören die Absage an Privatisierungen und das Bekenntnis zu Krankenhäusern in öffentlicher Hand. Bei Petra Enders stehen die Rekommunalisierung der Abfallentsorgung und der Widerstand gegen eine 380-kV-Leitung oben auf der Agenda. Einen Namen als Kämpferin gegen die »Monstertrasse« hatte sie sich schon als Bürgermeisterin in Großbreitenbach gemacht. Gleichzeitig möchte sie den Landkreis zur »Modellregion erneuerbare Energien« entwickeln.

Der anhaltende Wegzug junger Menschen macht Birgit Keller und Michaele Sojka gleichermaßen zu schaffen. Um wenigstens einen Teil der Abgewanderten wieder in die Heimat zu locken, fordert Keller gleichen Lohn für gleiche Arbeit: »Das Problem muss gelöst werden, denn viele junge Leute haben ihre Eltern hier zurückgelassen, die inzwischen älter sind und ihre Hilfe brauchen.« Thüringen habe bundesweit das niedrigste Lohnniveau, und das Altenburger Land rangiere landesweit auf dem letzten Platz, erklärt Michaele Sojka. Sie hofft, dass es bis zum Ende ihrer sechsjährigen Amtszeit »keine Aufstocker mehr gibt und der Kinder- und Altersarmut erfolgreich entgegengewirkt werden konnte«. Weil sie aber die Probleme allein auf Kreisebene nicht lösen kann, möchte sie vor allem »Zwänge transparent machen, um eine andere Landes- und Bundespolitik zu erreichen«.