nd-aktuell.de / 04.01.2013 / Kultur / Seite 15

Gérard Depardieu: Krimsekt statt Bordeaux

Thomas Blum

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Ein armer Schlucker, in seinem Herkunftsland von den dortigen Machthabern bis auf die Unterwäsche und einen einzelnen Hundert-Euro-Schein geplündert und ausgenommen, wird in seiner Not im Nachbarland vorstellig und macht den dort Regierenden den Vorschlag, ihnen von seinem schmalen Guthaben 13 Euro abzugeben, wenn man bereit sei, ihn dafür als Staatsbürger aufzunehmen. Der Mann wird schließlich vom Präsidenten des fremden Landes per Handschlag begrüßt und sein Vorschlag wird mit den Worten, man freue sich auf den »neuen herausragenden Mitbürger«, gern angenommen. Ein nicht sehr wahrscheinliches Geschehen.

Wenn die Auswanderung eines Menschen und seine Einbürgerung in ein anderes Land immer so einfach und unkompliziert vonstatten ginge, wie jetzt im Falle des populären Filmschauspielers Gérard Depardieu geschehen, wäre die Welt eine angenehmere: Als der Schauspieler erfuhr, dass die neue Reichensteuer in Frankreich 75 Prozent betragen soll, kündigte er an, nicht mehr länger Franzose sein zu wollen und seine Staatsbürgerschaft niederzulegen. Nun ist Gérard Depardieu ein Russe. Gestern verlieh Russlands Präsident Wladimir Putin dem Franzosen die russische Staatsbürgerschaft. Bereits vor Weihnachten hatte er dem 64-jährigen Schauspieler offiziell die Staatsbürgerschaft angeboten. Auch der russische Regierungschef Dmitri Medwedjew soll den Künstler mit dem vergleichsweise niedrigen russischen Steuersatz von 13 Prozent geködert haben. Der französische Verfassungsrat hatte die Einführung der von Depardieu kritisierten Reichensteuer von jährlich 75 Prozent auf Einkommen von mehr als einer Million Euro noch kurzfristig verhindert. Dennoch hielt der Schauspieler an seinem Vorhaben fest, Frankreich zu verlassen.

Wir merken uns: Unter allen Flüchtlingen ist der Steuerflüchtling der edelste. Und dennoch kann man dem bärbeißigen Querulanten und überzeugten Hedonisten Depardieu am Ende nicht böse sein. Weil er mit seinem eleganten Nationalitätswechsel vorgeführt hat, dass von allen unbedeutenden Dingen auf der Welt das sogenannte Vaterland das ist, worauf man am ehesten verzichten kann. Wenngleich dem Mann, der nach aller Erfahrung dem Lebensgenuss recht aufgeschlossen gegenübersteht, allein aus klimatischen Gründen ein Verbleib auf seinem Weingut anzuempfehlen wäre. Aber den guten französischen Wein kann man schließlich auch einfliegen lassen. Und zur Not tun's auch ein paar Fläschchen Krimsekt. Santé!