Lokaljournalist mit Courage

Nach einem Bericht über Neonazis wurde René Wappler bedroht. Er macht weiter

  • Peter Jähnel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Tierblut und Innereien an den Fensterscheiben einer Zeitungsredaktion - es war ein Angriff auf die Pressefreiheit, der sich im Frühjahr in Spremberg ereignete. Mit ziemlicher Sicherheit geht er auf das Konto von Neonazis. Doch die Tat erzeugte Gegenwehr. Lokaljournalist René Wappler macht mutig weiter und wurde dafür mit Preisen ausgezeichnet. Seine Motivation: die Pressefreiheit zu verteidigen.

Die Lausitz ist vor allem für sorbische Folklore, Spreewaldgurken und Kahnfahrten bekannt. Doch in der idyllischen Landschaft gibt es rechtsextremistische Aktionen, immer wieder, auch in der Stadt Spremberg, die sich als »Perle der Niederlausitz« sieht.

Es ist im April, als René Wappler über einen gespenstischen Auftritt von Neonazis auf dem Georgenberg berichtet. Kaum ist der Artikel in der »Lausitzer Rundschau« erschienen, bedrohen unbekannte Täter die Redaktion, sprühen die Parole »Lügenpresse halt die Fresse!« an die Wand. In der Nacht darauf eine weitere Attacke: Die Scheiben der Redaktion im Erdgeschoss werden mit Blut und Innereien besudelt. Die Polizei vermutet, dass beide Anschläge mit den Berichten über rechtsextreme Umtriebe zusammenhängen. Die Täter sind allerdings noch nicht ermittelt.

Für viele Einheimische ist das Maß voll. Einmütig verabschieden die Stadtverordneten eine Erklärung gegen Rechtsextremismus. Im August feiern die Einwohner ein »Fest der Toleranz«. Außerdem werden seit Mai Unterschriften gesammelt. »Bisher haben sich schon mehrere tausend Einwohner in die Listen eingetragen«, sagt Bürgermeister Klaus-Peter Schulze (CDU). »Wir sammeln auch im Jahr 2013 weiter Unterschriften für Demokratie und gegen Rechts.«

René Wappler zeigt in der Redaktion auf ein Foto mit etwa 30 schwarzgekleideten Vermummten. Sie posieren mit Fackeln vor dem Wahrzeichen Bismarckturm und halten ein Transparent mit dem Spruch »Deutsche Jugend voran!« in die Kamera eines Gesinnungsgenossen. Wappler wird bedroht, nachdem er diesen Auftritt in der Zeitung öffentlich macht. Einmal explodiert ein Böller neben ihm vor der Bürotür. »Angst habe ich aber nicht«, betont der 41-Jährige. »Wir lassen uns von den Neonazis nicht einschüchtern, sondern berichten weiter.«

Die Vorfälle in Spremberg gehören zu den jährlich mehr als 1000 politisch motivierten Straftaten in Brandenburg, die das Potsdamer Innenministerium registriert hat. Der Verfassungsschutz geht von etwa 1300 aktiven Rechtsextremisten aus, davon 350 im Süden des Landes. Bundesweit haben rechtsextremistische Organisationen nach offiziellen Angaben etwa 25 000 Mitglieder, davon 9500 gewaltbereite.

»Wir haben in Brandenburg etwa 50 000 Wähler von rechtsextremen Parteien, daran würde sich auch bei einem NPD-Verbot in Deutschland nicht viel ändern«, sagt Dirk Wilking, Geschäftsführer des Brandenburgischen demos-Instituts für Gemeinwesenberatung. Von den acht Brandenburger Kreisverbänden der NPD gilt der Lausitzer nach Einschätzung der Verfassungsschützer als der wichtigste.

»Der NPD-Kreisverband Lausitz hat etwa 60 Mitglieder und unterhält Verbindungen zu alten Kameradschaften«, berichtet Susanne Kschenka vom Mobilen Beratungsteam in Cottbus. NPD-Leute sitzen in den Stadtparlamenten von Guben und Cottbus und im Kreistag Spree-Neiße. In Cottbus soll ein NPD-Kommunalpolitiker nach Zeugenangaben mit dem verbotenen Hitlergruß bei einer Abstimmung provoziert haben. Neonazis wurden Kontakte zu gewaltbereiten Motorradrockern, darunter in Spremberg, und zu Lausitzer Kickboxern nachgewiesen. Für Lokaljournalisten wie René Wappler gibt es da reichlich Arbeit.

Unterstützung erhält er vom Chefredakteur Johannes Fischer. Beide wurden im Herbst für ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus mit Preisen ausgezeichnet: Wappler nahm den »Leuchtturm« der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche entgegen, für »hartnäckige Recherchen gegen Rechtsextremismus vor Ort«. Fischer erhielt für die »Lausitzer Rundschau« den Preis für Zivilcourage des Berliner Holocaust-Mahnmals. »Diese Preise sind für uns Anerkennung und die Ermunterung zum Weitermachen«, sagt der Chefredakteur. Die Neonazis bleiben also unter Beobachtung.

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