nd-aktuell.de / 19.01.2013 / Brandenburg / Seite 13

Bollwerk gegen braune Gewalt

Linkes Jugendzentrum »Anton-Schmaus-Haus« rüstet sich gegen rechte Übergriffe

Robert D. Meyer

Karsten Thiemann sitzt in einem kleinen Hinterzimmer des »Anton-Schmaus-Haus« (ASH) im Bezirk Neukölln. Vor ihm liegt ein dicker Stapel Spendenbescheinigungen. »Die sind alle für unser Bollwerk gegen Rechts«, sagt Thiemann, Kreisvorsitzender der SPD-nahen Jugendorganisation »Die Falken«, während er eine weitere Quittung unterschreibt. Das Bollwerk ist in diesem Fall wörtlich gemeint.

Seit einigen Wochen umgibt das Gelände der Falken ein 2,6 Meter hoher Metallzaun. Was man sonst nur von offiziellen Einrichtungen, wie etwa Botschaften kennt, gehört für das ASH aufgrund der zwei Brandanschläge durch Nazis im Jahr 2011 nun zur Normalität. »Ohne diesen Zaun bekämen wir keine Versicherung mehr«, erklärt Thiemann.

»Es ist sehr dramatisch, wenn junge Menschen ihre Freizeit nicht mehr in Sicherheit dort verbringen können, wo sie es gerne wollen«, sagt Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gegenüber »nd«. Die gebürtige Düsseldorferin war selbst in den 90er Jahren in ihrer Heimatstadt bei den Falken aktiv, davon sieben Jahre als Kreisvorsitzende. Trotz ihrer Arbeit als Senatorin hält sie weiterhin Kontakt zur politischen Nachwuchsorganisation. So nahm Scheeres 2011 an einer von den Falken organisierten Demonstration gegen Rechtsextremismus teil, die als Reaktion auf die Brandanschläge durch den Ortsteil Britz führte. »Der Zaun ist nicht schön, aber leider nötig«, sagt Scheeres.

Mit dem unansehnlichen Metallgitter ist es für den Schutz der Einrichtung nicht getan. Bewegungsmelder sind direkt mit einem Sicherheitsdienst verbunden, Überwachungskameras angebracht und Brandschutzmelder installiert. Etwa 180 000 Euro kosten die Maßnahmen insgesamt. Geld, dass die Organisation allein niemals hätte aufbringen können. »Für uns ging es um die Frage, ob wir an diesem Standort weitermachen können«, so Thiemann.

Das Anton-Schmaus-Haus ist auf den ersten Blick kaum zu finden. In direkter Nachbarschaft befindet sich nur ein Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe. Hin und wieder schaut ein dort eingesetzter Wachmann bei den Falken nach dem Rechten. Um von der nahe gelegenen Gutschmidtstraße zum ASH zu gelangen, müssen Besucher erst einen kurzen Waldweg entlang. Laufpublikum ist damit ausgeschlossen. Gleichzeitig bietet der Standort einige Vorteile, wie Thiemann erklärt. »Wenn wir hier eine große Veranstaltung durchführen, stören wir keine Anwohner«, sagt der Vorsitzende. Doch um die Kinder- und Jugendarbeit fortsetzen zu können, mussten Geldgeber her.

Thiemann zeigt auf einen Flyer. Für die Spendenaktion »Bollwerk gegen Rechts« konnten die Falken prominente Unterstützer gewinnen. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer gehört ebenso dazu wie Liedermacher Hannes Wader und der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Für eine Spende von fünf Euro konnten Interessierte die Patenschaft für einen Zentimeter Zaun übernehmen.

Die Aktion lief so gut, dass die Falken das Geld inzwischen zusammen haben. Ein Drittel der Gesamtsumme wurde von Bezirk und Senat aus Lottogeldern bereitgestellt. Beendet ist die Spendenaktion nicht. Mit den Mehreinnahmen wollen die Neuköllner Falken künftig Vereinen, die ebenfalls Ziel rechter Attacken wurden, finanziell helfen. »Wir wissen, dass wir Glück hatten. Nun unterstützen wir andere«, sagt Thiemann.