Wasser-Abzocke geht weiter

Preis fürs Nass sinkt doch nicht dauerhaft, Privatisierungsgegner erwägen Verfassungsklage

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der nächste Gerichtstermin zum Berliner Trinkwasser dürfte kurz nach Ostern stattfinden. Dann stehen sich vor dem für das Kartellrecht zuständigen Düsseldorfer Oberlandesgericht erneut die Berliner Wasserbetriebe (BWB) und das Bundeskartellamt gegenüber. Der Streitpunkt: Die Beschwerde der Wasserbetriebe gegen die von den Bonner Wettbewerbshütern Anfang Juni vergangenen Jahres verfügte Preissenkung für das Berliner Trinkwasser. Wegen der ausstehenden juristischen Auseinandersetzung sind die Preise fürs kalte Nass bis heute nicht dauerhaft gefallen - die Wasserbetriebe stellen bisher lediglich eine Gutschrift von 14 Prozent der Trinkwasserkosten für 2012 in Aussicht. Die dafür nötigen 58 Millionen Euro schütten die Wasserbetriebe bis zur rechtlichen Klärung indes nur vorläufig aus, abgerechnet wird die Rückerstattung über die Wasserrechnung für das Jahr 2013.

»Wenn wir das nicht unter Vorläufigkeit stellen würden, wäre die Klage vor Gericht sinnlos«, sagt Stephan Natz, der Sprecher der Wasserbetriebe. So oder so dürfte sich das Verfahren auch über den nächsten Spruch des Düsseldorfer Gerichts hinausziehen. Denn sowohl Wasserbetriebe als auch Kartellwächter sind entschlossen im Falle einer Niederlage in die nächste Instanz zu gehen. »Das Bundeskartellamt, die Berliner Wasserbetriebe und die gesamte Deutsche Wasserwirtschaft wollen das höchstrichterlich geklärt wissen«, sagt Natz. Aus diesem Grund ist es auch eher unwahrscheinlich, dass es zu einem Vergleich kommt.

Für die Berliner Wasserkunden bedeutet das jetzt, sie müssen sich bis zu einer endgültigen Klärung weiter gedulden. Allen politischen Bekundungen der Großen Koalition zum Trotz beschloss der Aufsichtsrat der Wasserbetriebe vor kurzem, die Preise für das vergleichsweise teure Berliner Trinkwasser doch nicht abzusenken.

»Die Preisstabilität, die es seit 2010 gibt, gilt bis 2014«, erklärt BWB-Sprecher Natz. Aus der Sicht des Unternehmens sei die »Stabilität« ein Wert, denn in anderen Wirtschaftsbereichen, wie der Energie, hätten sich die Preise in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Beim Thema »Effizienz« sei in dem Unternehmen nicht mehr viel herauszuholen, um Absenkungen zu ermöglichen. »Riesen-Kürzungsprogramme sind nicht mehr möglich«, sagt Natz.

Für die Opposition im Abgeordnetenhaus ist das Ausbleiben der Wasserpreissenkung dagegen kein Wert, sondern Betrug. So sei die »Pinocchio-Koalition« von SPD und CDU, sagt der Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer. »Noch im Herbst 2012 hat die Koalition den Entschluss gefasst, die Wasserpreise langfristig zu senken, diesen Beschluss hat der Senat ignoriert und die Wasserbetriebe machen einfach weiter.«

Nach dem Ende des Sonderausschusses im Abgeordnetenhaus zur desaströsen Teilprivatisierung der BWB, der durch den erfolgreichen Volksentscheid zum Berliner Wasser erzwungen worden war, überlegen außerparlamentarische Bürgerinitiativen und die Oppositionsparteien Grüne, LINKE und Piraten jetzt, wie es mit dem Thema Wasser weitergeht. Allen gemeinsam ist die Einschätzung, dass im Sonderausschuss keine ernsthafte juristische Prüfung der preistreibenden Teilprivatisierungsverträge stattgefunden habe. Deshalb könne es das nun auch nicht gewesen sein.

Für den kommenden Mittwoch plant der »Berliner Wassertisch« unterdessen einen hochkarätig besetzten Vortragsabend zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Urania (19:30 Uhr, An der Urania 17). Mit dabei sind unter anderem der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts, Siegfried Broß. Den Diskussionsabend will die Opposition auch nutzen, um zu diskutieren, ob eine Verfassungsklage gegen die Teilprivatisierung nicht doch aussichtsreich wäre. »Wir sollten das ausloten«, sagt Lederer. Ein denkbarer Anknüpfungspunkt für eine Klage wäre ein Verletzung des Demokratie- und Sozialstaatsgebots, das im Grundgesetz verankert ist.

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