nd-aktuell.de / 28.01.2013 / Politik / Seite 1

Straßenschlachten in Port Said

Nach Todesurteilen im »Fußballprozess« neue Gewaltwelle in Ägypten

Roland Etzel
Nach blutigen Ausschreitungen mit mehr als 30 Toten in Port Said am Suez-Kanal ist die Armee in die Hafenstadt eingerückt. Die Gewalt war am Samstag eskaliert, nachdem ein Gericht 21 Todesurteile gegen »Fußballfans« wegen der tödlichen Angriffe nach einem Fußballspiel vor einem Jahr in Port Said verhängt hatte.

In der ägyptischen Großstadt Port Said am nördlichen Ausgang des Suez-Kanals, so zeigen es Fernsehbilder, sind im Zentrum Panzer aufgefahren. Damit soll die Gewaltspirale gestoppt werden. Gelungen ist das höchstens zum Teil. Auch am Sonntag, während Opfer der Vortage beerdigt wurden, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen wütenden Trauernden und dem Militär. Die Regierung drohte daraufhin mit dem Ausnahmezustand.

Die Straßenkämpfe wenige Tage nach dem zweiten Jahrestag des Sturzes von Präsident Husni Mubarak waren durch Todesurteile eines Gerichts ausgelöst worden. Sie ergingen gegen 21 Männer aus Port Said, denen die Täterschaft für ein regelrechtes Massaker unmittelbar nach Ende eines Fußballspiels zugewiesen wurde. In Port Said hatten sich damals der heimische Klub Al-Masri sowie die Kairoer Gäste von Al-Ahli gegenübergestanden. Obwohl das Spiel keinerlei ersichtlichen Anlass dazu bot, stürmten damals nach Abpfiff Dutzende mit Hieb-, Stich- und sogar Schusswaffen bewaffnete Männer das Spielfeld, stachen anscheinend wahllos auf Spieler, Offizielle und Anhänger von Al-Ahli ein. Sie sollen Flüchtenden selbst bis in die Kabinen gefolgt sein. Die schreckliche Bilanz damals: 74 Tote und rund 1000 Verletzte. Dafür sollen nun 21 der nach den Ausschreitungen Festgenommenen hingerichtet werden.

Immer wieder machten seinerzeit Beobachter darauf aufmerksam, dass es sich hier mitnichten um aus dem Ruder gelaufene »Fan-Krawalle« gehandelt habe. Ein Teil der Anhänger von Al-Ahli war bekanntermaßen politisch sehr engagiert. Die sogenannten »Ultras al-Ahlawi« hatten zu den Organisatoren von Protesten auf dem Kairoer Tahrir-Platz gehört, die das politische Ende Mubaraks eingeleitet hatten. Sie wollen deshalb bis heute nicht daran glauben, dass es sich in Port Said um spontan ausgebrochene Hooligan-Gewalt gehandelt hat. Auch die Staatsanwaltschaft hatte wohl im Verlaufe des Prozesses in dieser Weise insistiert. Fernsehbilder vom 1. Februar zeigten zudem, dass für Straßenkämpfe ausgerüstete Polizeieinheiten kaum 100 Meter entfernt vom Spielfeld entfernt standen, aber offenbar keinen Einsatzbefehl erhielten. Vor Gericht standen lediglich einige untere Chargen wegen Nachlässigkeiten bei der Einlasskontrolle.

Als Anhänger von Al-Ahli, das seitdem nicht mehr am Spielbetrieb teilnimmt, nun in Kairo die Todesstrafen feierten, kochte die Wut in Port Said über. Anhänger versuchten, das Gefängnis der Inhaftierten zu stürmen. Dabei starben laut dpa 31 Menschen, darunter auch zwei Polizisten.

Das 21 Todesurteile sind noch nicht rechtskräftig.