nd-aktuell.de / 30.01.2013 / Politik / Seite 12

Aufarbeitung auf saarländisch

Streit um Nazi-Namen für Völklinger Stadtteil

Die braune Vergangenheit von Namensgebern für Straßen und Plätze sorgt immer wieder für Diskussionen. Im Saarland soll deshalb der Name eines ganzen Stadtteils geändert werden. Allerdings wird wohl nur der Vorname gestrichen.

Völklingen. (dpa/nd) Wegen der NS-Vergangenheit seines Namensgebers verliert ein Stadtviertel im saarländischen Völklingen wahrscheinlich bald seinen Vornamen. Statt »Hermann-Röchling-Höhe« soll es künftig nur noch »Röchling-Höhe« heißen. So wird es kommen, wenn der Kompromissvorschlag von CDU und SPD im Völklinger Stadtrat morgen wie geplant abgesegnet wird. Mit der Namenskürzung soll dann eigentlich ein jahrelanger Streit ein Ende finden.

Das Problem wird auch in vielen anderen Städten heiß diskutiert: Wie umgehen mit zweifelhaften Namensgebern? Die Völklinger Lösung: Statt an Hermann Röchling, Kriegsverbrecher und einer der einflussreichsten Großindustriellen der NS-Zeit, soll der Stadtteil künftig an das Wirken der gesamten Familie Röchling erinnern. Nicht jedem leuchtet das ein.

»Das ist nun wirklich eine Schnapsidee« sagt Christoph Gottschalk, dessen Bürgerinitiative für eine komplette Umbenennung kämpft. Die Bewunderung für Röchling in der Region würde weitergehen, die Opfer würden vergessen, befürchtet er. Auch die Völklinger LINKE und eine ganze Reihe anderer Kritiker sind für eine komplette Umbenennung. CDU und SPD verteidigen dagegen den Kompromissvorschlag. »Ohne die Familie Röchling hätte es Völklingen in dieser Form nicht gegeben, vielleicht auch nicht das Saarland«, sagt der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion, Stefan Rabel.

Röchling (1872-1955) gehörte zum Führungsstab der deutschen Kriegswirtschaft. 1948 wurde er wegen Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit verurteilt. Während des Zweiten Weltkriegs beutete Röchling in seinen Eisen- und Stahlwerken Tausende Kriegsgefangene aus. Die Familie hatte die Werke seit 1881 aufgebaut. Heute ist die Völklinger Hütte Weltkulturerbe, zuvor gab sie bis zu 17 000 Menschen Arbeit. Auf der »Bouser Höhe« half Röchling damals der Belegschaft, Eigenheime zu errichten. 1956 bekam die Siedlung seinen Namen.

Völklingen ist nicht die einzige Stadt, die sich auf diese Weise mit der Vergangenheit plagt. Realschulen in Osnabrück und Düsseldorf rückten von ihrer Namensgeberin Agnes Miegel ab, da die Dichterin einst Hymnen auf Adolf Hitler schrieb. Köln taufte seinen nach dem umstrittenen Sportwissenschaftler benannten »Carl-Diem-Weg« um. Und im hessischen Limburg entschied der Kreistag, die Bezeichnung einer Sporthalle als »Heinz-Wolf-Halle« vorerst auszusetzen, als ein Streit um die Vergangenheit des Juristen entbrannte. Doch in Völklingen scheinen viele Bürger besonders an Hermann Röchling zu hängen. Als im Juni 2012 erstmals über eine Umbenennung entschieden werden sollte, demonstrierten rund 150 Bürger lautstark. »Geschichte und Ortsname sind zwei paar Schuhe«, sagt Torsten Krieg von der Initiative »Zukunft Hermann-Röchling-Höhe«, die gegen die Umbenennung kämpft. »Die Leute wollen ihren Ortsnamen behalten, irgendwann ist es Zeit, die Geschichte ruhen zu lassen.«

Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Völklingen, Erik Kuhn, sagt: »Eigentlich hätte man die Frage bereits vor 40 Jahren diskutieren müssen.« Sein CDU-Amtskollege Rabel betont: »Wir sind jetzt diejenigen, die einen Schlussstrich ziehen.« Beide Bürgerinitiativen haben allerdings angekündigt, sich nicht mit dem Kompromiss zufriedengeben zu wollen.