Wühlen im Müll

Eine Fotoausstellung soll für das Thema Altersarmut sensibilisieren

  • Dieter Hanisch, Bad Segeberg
  • Lesedauer: 2 Min.
»Altersarmut hat viele Gesichter« - 23 davon zeigt die Fotoausstellung derzeit in Schleswig-Holstein.

Durch Schleswig-Holstein tourt derzeit eine Fotoausstellung, um auf das Thema Altersarmut aufmerksam zu machen. Bei der sich abzeichnenden Demografieentwicklung wird das Auskommen im Alter zu einer zentralen Frage und neben den Fragen nach Arbeit, bezahlbarem Wohnraum und der Gesundheitsversorgung zu der sozialpolitischen Herausforderung der nächsten Jahrzehnte.

Im nördlichsten Bundesland hat sich daher das Soziale Bündnis mit den Partnern DGB, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband Deutschland seit Mitte vergangenen Jahres zur Aufgabe gemacht, die Politik in die Verantwortung zu nehmen. Zahlen, Daten, Thesen und Forderungen sind der argumentative Rahmen. 23 Schwarz-Weiß-Fotografien sind die visuelle Komponente des Themas Armut, das in der Gesellschaft durch den sozialen Rückzug von Betroffenen in ihre vier Wänden oft gar nicht auf den ersten Blick wahrnehmbar ist. Auch das wird deutlich: Armut ist zunehmend weiblich.

Der Appell, private Vorsorge fürs Alter zu treffen, geht an vielen vorbei, da der persönliche Verdienst gerade einmal zur Bewältigung des Alltags reicht, aber nicht dafür, Rücklagen zu bilden. Neben den aufrüttelnden Porträtaufnahmen von Cynthia Rühmekorf in der Ausstellung, etwa wie ein älterer Mann mit Plastiktüte in einem Abfallbehälter wühlt, bietet das Soziale Bündnis auch Diskussionsveranstaltungen an, um das nicht selten tabuisierte Thema in den Fokus zu rücken und sich über Lösungen auszutauschen.

Ulrich Klinke von der Arbeiterwohlfahrt im Kreis Segeberg würdigt die Bonner Fotografin: »Frau Rühmekorf ist es gelungen, die Altersarmut auf subtile Art darzustellen. Diese ist nicht schön, sondern grau und trist.« Die Fotografin habe auch deshalb auf Farbmotive verzichtet, weil die schwarz-weiße Betrachtung umso intensiver wirkt, fügt Klinke hinzu. Für ihn ist die Mahnung von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) korrekt, dass ab 2030 heutige Normalverdiener Gefahr laufen, als Rentner zum Sozialfall zu werden. »Die Analyse stimmt, die Schlussfolgerungen lassen aber sehr zu wünschen übrig«, sagt der AWO-Beschäftigte.

Aktuell können rund 16 000 Über-65-Jährige in Schleswig-Holstein nicht von ihrer Rente leben. Diese Zahl wird im nächsten Jahrzehnt weiter in die Höhe schnellen, überproportional bei Seniorinnen. Denn diese liegen heute schon bei einer monatlichen Durchschnittsrente von 483 Euro im Vergleich zu 1018 Euro bei Rentnern.

In Bad Segeberg ist die Ausstellung noch bis zum 14. Februar im Rathaus zu sehen.

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