Der Globale Süden wird geschröpft

Eine neue Studie dokumentiert, wie illegale Kapitalflüsse Entwicklungsländer ausbluten lassen

  • Thomas Nitz
  • Lesedauer: 2 Min.

Bestechung, Diebstahl, vorsätzlich falsch ausgestellten Rechnungen, illegal kassierte Provisionen und Devisenspekulationen, das sind nur einige Methoden, mit denen Entwicklungs- und Schwellenländer Jahr für Jahr von multinationalen Konzernen um Milliardenbeträge geprellt werden. Eine jüngst in Washington vorgestellten Studie der nichtstaatlichen Organisation Global Financial Integrity (GFI) belegt, dass den Entwicklungs- und Schwellenländern allein 2010 insgesamt 858,8 Milliarden US-Dollar auf unrechtmäßige Weise verloren gingen. Das ist ein Vielfaches der im selben Jahr laut OECD geleisteten öffentlichen Entwicklungshilfe in Höhe von 128 Milliarden US-Dollar. »Gigantische Summen Schwarzgeld fließen aus der sich entwickelnden Welt in Steueroasen und auf Bankkonten in Industrieländern«, sagte GFI-Direktor Raymond Baker bei der Vorstellung des Berichts.

Von 2001 bis 2010 werteten die Autoren der Studie Zahlungsbilanzen und Informationen über die Fälschung von Zöllen von 150 Entwicklungs- und Schwellenländern aus. Für diesen Zeitraum werden die illegalen Geldtransfers auf insgesamt 5,86 Billionen US-Dollar geschätzt. Unbeachtet blieben kriminelle Geldtransfers aus Drogenschmuggel, Menschenhandel oder anderen kriminellen Aktivitäten. Auch wurde die legale Kapitalflucht in dem Bericht nicht berücksichtigt, beispielsweise der Mittelständler aus Nigeria, der sein Geld lieber in London anlegt, statt in seiner Heimat zu investieren. Die Daten wurden vom Internationalen Währungsfonds bereitgestellt.

Am stärksten betroffen sind dem GFI-Bericht zufolge China, Mexiko, Malaysia und Saudi-Arabien. Allein China hat im Untersuchungszeitraum 2,74 Billionen US-Dollar verloren. Afrika und der Mittlere Osten verzeichneten jedoch mit etwa 25 Prozent den höchsten Anstieg an illegalen Kapitalabflüssen. Den Spitzenplatz belegt hier Nigeria mit einem Verlust von 129 Milliarden US-Dollar in den Jahren 2001 bis 2010, während im selben Zeitraum nur etwa 40 Milliarden US-Dollar als Direktinvestitionen und 26 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe in das Land flossen. Die Autoren führen dies auf den steigenden Ölpreis zurück, der zu höheren Anreizen verleite, Geldtransfers nicht rechtmäßig zu verbuchen. Auch begünstige die überdurchschnittlich hohe Korruption in diesen Regionen die illegalen Transfers.

GFI-Chef Raymond Baker warnt: »Die Entwicklungsländer bluten immer weiter aus.« Der Bericht sei ein Weckruf an die internationalen Entscheidungsträger, mehr gegen diese schädlichen Kapitalabflüsse zu unternehmen.

GFI empfiehlt, eine internationale Aufsichtsbehörde einzurichten, die Informationen über Umsätze, über Zoll- und Steuerzahlungen multinationaler Konzerne erfassen soll. Eigentümer von Briefkastenfirmen, anonymen Stiftungen und Trusts sollen offengelegt und Scheingeschäfte zur Reduzierung von Steuern verhindert werden.

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