nd-aktuell.de / 05.02.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Viel Lärm wegen ein paar Dezibel

Richtungskampf um EU-Pläne für leisere Autos

Kay Wagner, Brüssel
Das Europaparlament stimmt morgen über Obergrenzen für Geräuschemissionen bei Fahrzeugen ab.

Es geht um ein paar wenige Dezibel, doch der Kampf darum wird mit außergewöhnlicher Härte geführt. Wenn heute die Abgeordneten im Europaparlament über neue Lärmobergrenzen bei Kraftfahrzeugen debattieren und morgen über die gemeinsame Position abstimmen, wird das der vorläufige Endpunkt eines Gerangels sein, das selbst für EU-Verhältnisse außergewöhnlich ist.

Im federführenden Umweltausschuss sorgte das Thema lange für viel Aufregung. Mehrmals mussten Abstimmungen verschoben werden. Zeit für mehr Information wurde verlangt, Meinungen sollten noch gehört, unterschiedliche Werte auf ihre Folgen durchgerechnet werden. Im Hintergrund wusste man immer die Autoindustrie. Wie sehr die Hersteller hinter den Kulissen mitmischen, flog durch eine Unachtsamkeit des Berichterstatters im Umweltausschuss auf. Der tschechische Konservative Miroslav Ouzký fügte seinen Vorschlägen für sinnvolle Dezibelwerte die Empfehlung eines Porsche-Mitarbeiters hinzu, ohne die Quelle zu verheimlichen. Der Aufschrei war groß. Ouzký fährt privat übrigens einen PS-starken Porsche.

Letztlich kam es im Dezember zur Abstimmung. Mit hauchdünner 29-zu-28-Mehrheit setze sich der als Kompromiss verfasste Änderungsvorschlag einer Koalition aus Sozialisten, Liberalen, Grünen und Linken durch. Für den ökologischen Verkehrsclub VCD hätte dieser Bericht zwar »ambitionierter ausfallen können«, doch sei er ein Schritt in die richtige Richtung. So ist er leicht weniger ehrgeizig als die Vorschläge der EU-Kommission, der bei Pkw zum Beispiel einen Grenzwert von zunächst 70 Dezibel vorsieht.

Erst in acht statt in sieben Jahren sollen die neuen Höchstwerte bei der Zulassung eines Fahrzeugs vorgeschrieben sein. Hersteller müssen die Endwerte bei neuen Modellen schon nach sechs Jahren erreichen - ein Jahr später, als die Kommission es vorschreibt. Auch bei den Dezibel sind die Abgeordneten etwas großzügiger. Einige schwere Lkw zum Beispiel sollen lauter sein dürfen. Noch weniger ehrgeizig sind die bürgerlichen Parteien. Sie wollen die Kommissionsvorschläge in der Regel noch stärker aufweichen. Sportwagen sollen zwei Dezibel lauter werden dürfen als heute erlaubt.

Eine richtige Revolution bedeutet aber keine der beiden Vorlagen. Selbst wenn sich der Kompromiss vom mitte-links-liberalen Bündnis durchsetzen würde: Der Verkehrslärm würde durch die Änderungen lediglich um etwa zwei bis drei Dezibel in den kommenden acht Jahren sinken. Zehn Dezibel wären nötig, um die empfundene Lautstärke zu halbieren.

Viel mehr Lärm als bisher sollen bald Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechniken machen dürfen. Hersteller sollen die Erlaubnis erhalten, die oft geräuscharmen Autos mit künstlichen Lärmverursachern auszurüsten. Die Sozialisten wollen solche für E-Fahrzeuge und Co. sogar verbindlich vorschreiben. Nach der Abstimmung des Parlaments muss das endgültige Ergebnis noch mit den EU-Mitgliedstaaten ausgehandelt werden.