David Camerons gewagtes Spiel

Antieuropäischer Kurs des britischen Premiers macht sich nicht bezahlt

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Er kam ins Londoner Hauptquartier von Bloomberg. Er sah nicht seine EU-Kollegen, sondern die in antieuropäischem Hass ergrimmte konservative Partei. Er versprach eine Volksabstimmung 2017 über den britischen Austritt aus der EU. Nur eines misslang den britischen Premierminister David Cameron: Er siegte nicht.

Der Regierungschef Großbritanniens hatte wahrscheinlich weniger an Julius Cäsars »Veni, vidi, vici« als an alte Stummfilme gedacht: Mit einem Sprung befreit sich der Held. Aber im politischen Leben gilt kein Happy End. Seine Partei bleibt ausländerfeindlich wie eh und je, der erhoffte Bonus in den Umfragen zeigt sich nicht, der Vorsprung der Labour-Opposition bleibt fast unverändert. Camerons Populismusversuch ist fürs Erste gescheitert.

Das liegt wohl auch daran, dass die versprochene Volksabstimmung an so viele Voraussetzungen geknüpft ist, dass ihre Ausführung unwahrscheinlich bleiben muss. Erst müssten die konservativen Tories Labour bei der Parlamentswahl 2015 schlagen - und zwar mit absoluter Mehrheit, denn für eine risikoreiche antieuropäische Politik gibt sich der jetzige liberale Koalitionspartner nicht her. Zudem müssten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Co. ihm in der Sozial-, Innen- und Rechtspolitik entgegenkommen, damit er beispielsweise seinen Freunden von der Industrie die Aushebelung der EU-Arbeitszeitverordnung und damit die neuerliche Möglichkeit einer 50-Stunden-Woche anbieten könnte. Aber das ist unwahrscheinlich, die Europäer lassen Cameron lieber mit dem Kopf gegen die Brüsseler Wand fahren. Das heißt, der Premier hat seine Rechnung ohne zwei Wirte gemacht: Merkel und die britischen Wähler.

Dazu kommt: Die Wirtschaftslage verbessert sich wegen der Austeritätspolitik der Regierung nicht. Das letzte Quartal 2012 brachte noch einmal Minuszahlen hervor, eine Rezession mit drei Tiefphasen steht den Briten bevor. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 0,3 Prozent, das britische Wirtschaftskind scheint wie Oskar Matzerath in Günter Grass' »Blechtrommel« seit zweieinhalb Jahren nicht wachsen zu wollen.

Selbst die Hoffnung, Labour und die Liberalen durch eine Wahlkreisreform und die Reduzierung der Unterhausmandate von 646 auf 600 zu schwächen, ist gescheitert. Die Konservativen hatten die von ihren Partnern verlangte Demokratisierung des Oberhauses mit größtenteils gewählten Lords verhindert. Der leidgeprüfte stellvertretende Premier Nick Clegg führte daraufhin seine wütende Fraktion samt Ministern in die Nein-Lobby, die Regierung verlor die Unterhausabstimmung mit 334 gegen 292 Stimmen. Aufgebrachte Tories schwören Rache, Labour gibt sich Mühe, seine Freude zu verbergen. Denn jetzt wird die Sozialdemokraten diskriminierende Neueinteilung der Wahlkreise erst in fünf Jahren eingeführt.

Doch der Premier bleibt unverdrossen. Besuchte unlängst Algerien, dessen Regierung er während der Geiselnahmekrise vor zwei Wochen beschimpft hatte. Beim algerischen Volk scheint er damit kaum beliebter als in der Heimat. Zwar brachte er ein Geschenk mit, bot Mali und den Nachbarstaaten 350 britische Militärberater, um deren Truppen gegen den Islamismus auszubilden. Zu Hause scheiternde Premiers lieben Auslandsabenteuer. Nur sollte Cameron lieber Geschichtsbücher lesen: Mit der Entsendung US-amerikanischer Militärberater fing auch der Krieg in Vietnam erst richtig Feuer.

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