Leben und leben lassen

Reiche Länder wären zur Not auch mit Annexion armer Länder zufrieden

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Geben mag seliger sein denn nehmen, Wahlkämpfe gewinnen kann man so kaum. Die »Geberländer« Bayern und Hessen machen deshalb Stimmung gegen den Länderfinanzausgleich. Beide Landtage werden bald gewählt.

Teilen steht nicht hoch im Kurs - »Nehmerländern« wie Berlin oder Nordrhein-Westfalen werden beim Thema Länderfinanzausgleich plötzlich ganz ähnliche Argumente zuteil wie den Griechen oder Spaniern, wenn es um die Ursachen der EU-Finanzkrise geht. Lautete der Rat des Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, Griechenland solle doch seine Inseln verkaufen, schlägt der hessische FDP-Fraktionschef Wolfgang Greilich nun vor: Die defizitär haushaltenden Länder Rheinland-Pfalz und das Saarland sollten Hessen zugeschlagen werden.

Rechnungen ohne Wirt

2012 zahlte Bayern mit 3,9 Milliarden Euro den Löwenanteil im Länderfinanzausgleich, Baden-Württemberg steuerte 2,69 Milliarden Euro bei, Hessen knapp 1,33 Milliarden Euro. Aus Sicht der Bayern und Hessen jedenfalls ist es höchste Zeit für einen Schnitt. Und für den soll das Bundesverfassungsgericht sorgen, dem man im Februar 2013 den gemeinsamen Normenkontrollantrag vorlegen will. Das sollen beide Landesregierungen heute beschließen. »Die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung halten das geltende System des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für verfassungswidrig«, heißt es in einer entsprechenden Vorlage, aus der die »Süddeutsche Zeitung« zitierte.

Verfassungsgemäß oder nicht? Das geltende System des Länderfinanzausgleichs ist selbst Ergebnis eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, vom 11. November 1999 nämlich. Zwar ist die Summe, die die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen einzahlen - bis 2012 gehörte auch Hamburg noch dazu - immer weiter gestiegen, aber am Prinzip der Angleichung der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern, das im Grundgesetz festgeschrieben ist, hat sich nichts geändert. So sind selbst aus dem Mund der CDU-Regierungschefin in Thüringen, Christine Lieberknecht, Zweifel zu hören. »Das Urteil ist damals sehr gelobt worden, unter anderem auch im Bayerischen Landtag ... Und auf dieser Basis einen Länderfinanzausgleich zu haben, heißt für mich, dass er verfassungsfest ist.«

Allerdings ist dabei auch festgelegt, dass bis zum Jahr 2019 eine neue Ordnung des Finanzausgleichs her muss. In jenem Jahr läuft der Solidarpakt II aus, in die Rechnung gehören dann überdies die finanziellen Ansprüche der Kommunen. SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümpel hält es deshalb für denkbar, dass die Klage der beiden Länder, die er als »Einzelkämpfermethode« kritisiert, nach hinten losgehen könnte. So sei es möglich, dass das Bundesverfassungsgericht etwa die vollständige Einbeziehung der kommunalen Steuereinnahmen anweist, die in Hessen besonders hoch ausfallen. Derzeit fließen nur 64 Prozent in die Berechnung ein. »Hessen müsste dadurch knapp eine halbe Milliarde Euro mehr zahlen.«

Vor allem aus der SPD kommt der Vorwurf, es handele sich um eine unlautere Methode, Wahlkampf zu führen. Die Klage sei »unanständig«, heißt es dort. Doch die Sache mit dem Geben und Nehmen ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. So spekulieren die einen auf neue Verpflichtungen, die der Bund übernehmen solle; andere machen geltend, dass Bayern und Hessen vom Bund längst mehr Mittel erhielten als ärmere Bundesländer. Auch die Berechnungsbasis - die Einnahmen der Länder - wird in Frage gestellt. Höhere Steuereinnahmen eines Geberlandes flössen überproportional in den Ausgleich, während höhere Steuereinnahmen eines Nehmerlandes seine Einnahmen aus dem Finanzausgleich reduzierten.

Reiz und Anreiz

So will Christine Lieberknecht den Anreiz für zusätzliche Steuereinnahmen in Geber- wie Nehmerländern erhöhen. Und der hessische Linksfraktionschef Willi van Ooyen verweist auf eine einfache Möglichkeit hierfür, die Wiedereinführung der Vermögensteuer nämlich, die dem Grundgesetz nach den Ländern zusteht. »Für Hessen könnten wir dabei mit etwa 1,5 Milliarden Euro rechnen. Das ist weit mehr als die Summen, die sich im jetzigen System für Hessen aus einer Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ergeben können.«

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