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Schließfächer als Spendenbox

Gebühren ausgewählter Gepäckboxen fließen direkt an die Bahnhofsmission

  • Verena Mörath, epd
  • Lesedauer: 3 Min.

Morgens um zehn herrscht auf allen Ebenen des Berliner Hauptbahnhofs ein unglaubliches Gewimmel. Nur bei den Schließfächern ist es ruhig. Eine junge Frau sucht nach einer freien Box. Neuerdings werben dort große rote Aufkleber: »EinFach spenden für die Bahnhofsmission. Öffnen Sie Ihr Herz. Schließen Sie ihr Gepäck hier ein - das Geld kommt in voller Höhe der Bahnhofsmission zugute«. Die Entscheidung fällt der Reisenden nicht schwer: »Dann hat es ja doch etwas Gutes, dass ich mein Gepäck loswerden muss«, sagt sie - und wirft sechs Euro ein.

Auf solche positiven Reaktionen setzt die Deutsche Bahn AG mit ihrer Aktion »EinFach spenden«, die seit Januar mit je drei Fächern an 13 Standorten bundesweit und noch bis Ende des Jahres läuft. Kunden der Bahn werden Spender für die Bahnhofsmissionen, ohne zusätzlich Geld auszugeben. Denn für ein Schließfach müssen sie ohnehin zahlen.

»Wir übernehmen ein stückweit die soziale Verantwortung für die Gäste der Bahnhofsmission, dort wo wir unmittelbar aktiv sind - am Bahnhof«, erklärt Marie Claire Gaier, Leiterin der Service Reisekette DB Station & Service AG. Ausgewählt wurden Standorte an größeren Bahnhöfen mit den am besten zugänglichen und umsatzstärksten Schließfächern. »Wir rechnen mit rund 30 000 Euro Spendeneinnahmen«, sagt Gaier. Das Geld kommt zu den rund eine Million Euro an Sachleistungen hinzu, mit denen die 100 ökumenischen Einrichtungen der Bahnhofsmission und deren 2000 ehrenamtlichen und 350 hauptamtlichen Mitarbeitenden jährlich vom Reisekonzern unterstützt werden.

»Das Unternehmen will mit diesem Fundraising auch die Arbeit der Einrichtungen als Teil des Bahnhofs in den Mittelpunkt rücken«, erklärt Holger Bajohra, Sprecher Personenbahnhöfe der DB. Es sei wichtig, Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen, um über die Aktion hinaus neue Spender zu binden.

»Für uns sind die Bahnhofsmissionen wertvolle Partner. Es sind Anlaufstellen für alle Menschen, für ihre verschiedenen Bedürfnisse und in Notlagen«, betont Gaier. Mal werde ein Knopf angenäht oder ein Kinderpflaster verteilt, aber auch Menschen würden aufgefangen, die weder ein noch aus wüssten. »Dies können wir als DB nicht übernehmen. Unser Mobilitätsservice stößt da an seine Grenzen, selbst mit den 3000 Servicemitarbeitenden bundesweit.«

Die Idee mit den Schließfächern »ist einfach super«, findet Christian Bakemeyer, evangelischer Geschäftsführer der Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission (KKBM). Es sei gut, dass die Einnahmen für eine bessere Infrastruktur eingesetzt werden sollen. »An unserer Ausstattung und Instandhaltungen sparen die Standorte am meisten«, sagt er. Insgesamt rund elf Millionen Euro müssen jährlich für die Einrichtungen aufgebracht werden. »60 Prozent sind Eigenleistung, 40 Prozent sind ein Mix aus Lottogeldern, staatlichen Zuschüssen und Spenden.«

Mehr als 1,3 Millionen Gäste zählten die Bahnhofsmissionen nach den aktuellsten Statistiken von 2010 und leisteten fünf Millionen mal Hilfe: für Ältere und Familien, für behinderte Menschen und zu einem großen Teil für sozial Benachteiligte und Bedürftige, zunehmend auch für psychisch Kranke und Menschen aus Osteuropa, die in Deutschland Arbeit suchen. Der Einstieg sei immer eine Tasse Kaffee und ein belegtes Brötchen, bevor in Gesprächen nach Auswegen aus der Krise oder nach Lösungen für Probleme gesucht werde, berichtet der Geschäftsführer.

An den Schließfächern im Berliner Hauptbahnhof tummelt sich wieder Kundschaft: Ein Geschäftsmann nutzt eins der drei Spendenfächer. Auf die Frage, ob er wisse, was Bahnhofsmissionen konkret machen, meint er verlegen: »Nein, das weiß ich nicht so genau.« Sechs Euro gespendet hat er trotzdem.

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