nd-aktuell.de / 06.02.2013 / Politik / Seite 3

Kritik an Regelung zu Kronzeugen

Juristen sehen Verstoß gegen Rechtsprinzipien

Die Kronzeugenregelung sieht Strafmilderung und -erlass für sogenannte Kronzeugen vor, die zur Aufklärung einer anderen Tat beitragen. Um eine übermäßige Strafmilderung und Falschaussagen zu beschränken, plant die Bundesregierung eine Einschränkung der umstrittenen Regelung. In einem Gesetzentwurf sieht das Kabinett vor, dass die Kronzeugenregelung nur noch dann anwendbar sein soll, wenn sich die Angaben des Kronzeugen auf eine Tat beziehen, die mit seiner eigenen Tat im Zusammenhang steht.

In einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags begrüßten Juristen im Dezember die geplanten Änderungen, betonten aber ihre grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Regelung. So sagte Prof. Dr. Alfred Dierlamm von der Bundesrechtsanwaltskammer, dass die Kronzeugenregelung Probleme mit dem Legalitäts-, Gleichheits- und Schuldprinzip der Rechtsordnung aufwerfe. Sie begünstige »Denunziantentum und Bespitzelung«, was »der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht würdig« sei.

Laut Prof. Dr. Johannes Kaspar von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg gebe es keine empirischen Beweise für die Notwendigkeit der Kronzeugenregelung insgesamt. Richter hätten auch bisher schon die Möglichkeit, bei der Auswahl des Strafmaßes Geständnisse zu berücksichtigen.

Auch Strafverteidigervereinigungen, Linkspartei und Grüne lehnen eine allgemeine Kronzeugenregelung ab. Kronzeugen sind ein juristisches und sittliches Problem. Straftäter werden zu falschen Beschuldigungen geradezu animiert. Ihre Glaubwürdigkeit steht generell infrage, weil sie sich mit einer Belastung Straffreiheit erkaufen.

Einer der ersten Kronzeugen in einem politischen Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung war das seit 1972 inhaftierte ehemalige RAF-Mitglied Gerhard Müller. Nach seinen Aussagen im Stammheimer Staatsschutzprozess 1975 gegen Gründer der RAF wurde er aus der Haft entlassen, eine Mordanklage gegen ihn fallen gelassen.

Im Strafgesetzbuch verankert wurde die Kronzeugenregelung erstmals 1989 unter Bundeskanzler Helmut Kohl. Die Maßnahme wurde zeitlich befristet, mehrfach verlängert und lief unter der rot-grünen Bundesregierung Ende 1999 aus. 2009 wurde sie von der Großen Koalition wieder eingeführt. nis