Geheimdienst als Karrierekick

Sachsens NPD-Chef ein V-Mann? Immer mehr »Kollegen« fliegen auf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Jüngst sickerte durch, dass »ein führender NPD-Politiker« für das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz gespitzelt hat. Nun verkündete der erst Mitte Januar zum NPD-Landesvorsitzen gewählte Holger Szymanski: »Ich habe zu keinem Zeitpunkt als V-Mann gearbeitet!«

Wem glaubt man nun, dem NPD-Hardliner Szymanski oder Gordian Meyer-Plath. Der ist Präsident des Verfassungsschutzes in Sachsen und hat den Verdacht zumindest indirekt auf Szymanski gelenkt. Was allein schon wider jeden Quellenschutz ist, den Verfassungsschützer und ganz besonders V-Mann-Führer sonst wie eine Monstranz vor sich her tragen.

Dennoch legte Meyer-Plath, der einst in Brandenburg V-Mann-Führer von Neonazis war, nach. Laut »Leipziger Volkszeitung« betonte er, dass keine Gefahr für das angestrebte NPD-Verbotsverfahren besteht. Das dazu im Bundesinnenministerium gesammelte Material enthalte keine Berichte des betreffenden Informanten.

Mag sein. Sicher ist das nicht, denn Szymanski war, bevor er zum Landeschef aufstieg, Leiter des Parlamentarischen Beratungsdienstes und Pressesprecher der NPD-Landtagsfraktion - also quasi das Sprachrohr von Fraktionschef Holger Apfel. Der ist zugleich Bundesvorsitzender der NPD.

Zwischen 1998 und 2002 soll Szymanski berichtet haben. Wie lange seine Betreuung nach dem Abschalten gedauert hat, ist unbekannt. Der heute 41-Jährige war Gründungsmitglied der rechtsex-tremen »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen« in Sachsen, agierte ab 1993 bei den Republikanern, kandidierte für die Partei bei der 1994er Bundestagswahl. Er engagierte sich im Umfeld der 1994 verbotenen »Wiking-Jugend«, aus der Leute wie der Vize-NPD-Chef und Schweriner Landtagsabgeordnete Udo Pastörs entwachsen sind.

NPD-Sachsen-Chef Szymanski gilt als wichtige Stütze seines Vorgängers Holger Apfel. Der steht unter schwerem innerparteilichen Beschuss - im Bund und zunehmend auch im Land. Der ursprünglich für Herbst geplante NPD-Bundesparteitag ist auf den 6. und 7. April vorgezogen worden. Die Partei ist durch den aktuellen Verbotsantrag des Bundesrates in Bedrängnis geraten.

Während die Organisatoren angeblich in Süddeutschland auf Raumsuche sind, formiert sich die Anti-Apfel-Front. Allen voran kämpft ein »Freundeskreis Udo Vogt« für die Wiederinthronisierung des einstigen Parteichefs. Der Verein hat eine Adresse in Reichenbach (Sachsen). Verantwortlich für die Website ist Frank Rohleder aus Chemnitz. Er war mit Sicherheit eine Szymanski-Zielperson. Rohleder gehört zu den Unterzeichnern eines Aufrufes unter dem Titel »Organisierter Wille bedeutet Macht«. Den Aufruf unterzeichnet hat ebenso ein Dr. Kersten Radzimanowski. Dessen geheime Kontakte sind etwas älter. Als IM »Markgraf« des Ministeriums für Staatssicherheit hat er als Funktionär der DDR-CDU den Aufstieg des letzten DDR-Premiers Lothar de Maizière befördert und es selbst für ein paar Wochen zum Außen-Staatssekretär gebracht.

Der Internet-Blog »Gamma« hat derweil den Blick auf weitere mögliche V-Leute im Rechtsaußenbereich gerichtet. Einer ist der Geithainer Manuel T. Er ist für die NPD-Jugendorganistation JN unterwegs. Hinweisend verschwiegen gibt sich der sächsische Verfassungsschutzchef, wenn die Namen von Manole M. aus Zwickau und Eric F. aus Chemnitz fallen. Auch sie könnten zum Geflecht des NSU gehören.

Steuerparadies

V-Leute können beim Finanzamt weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Darauf verwies das Erfurter Innenministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksabgeordneten Katharina König. Weiter erfährt man, dass Informanten des Thüringer Landesamtes (LfV) erst seit 1999 besteuert werden. Mit »üppigen« zehn Prozent. »Die Festlegung des Steuersatzes basiert auf einem für das Bundesamt für Verfassungsschutz geltenden Beschluss aus dem Jahr 1963. Durch die für die Einkommenssteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder wurde im Februar 1998 festgelegt, dass dieser Steuersatz zukünftig u. a. für alle Verfassungsschutzbehörden der Länder gelten solle.« Der Eingangssteuersatz eines einfachen Arbeitnehmers beginnt bei 15 Prozent.

Jüngst wurde bekannt, dass der damalige Präsident des LfV, Thomas Sippel, erst 2012 anordnete, dass Monatshonorare über 1000 Euro vom Chef der Behörde gegengezeichnet werden müssen.

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