Ein Klassiker ohne Wert

Fußball-Bundestrainer Joachim Löw fehlen heute im Testspiel gegen Frankreich viele wichtige Spieler

  • Johannes Ehrmann, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Joachim Löw brachte gestern viel gute Laune mit ins Pariser 4-Sterne-Hotel »Concorde La Fayette«. Freundlich lächelnd verteilte der Bundestrainer ein »Servus« hier, ein »Hallo« dort. Auch bei der anschließenden Fragerunde vor dem heutigen Länderspiel gegen Frankreich im Stade de France blieb Löw die Ruhe selbst. »Diese Problematik gibt es so lange, wie es Länderspiele gibt«, sagte der 53-Jährige zu den zahlreichen Verletzungsabsagen seit dem Wochenende: »Man plant mit den Spielern, und dann sind sie nicht dabei. Das ist manchmal ärgerlich. Aber wir können nun auch beweisen, dass wir mehr als nur elf gute Spieler haben.«

Kapitän Philipp Lahm stellte kurz klar, dass er keineswegs gedenke, das Spiel schon im Vorfeld verloren zu geben. »Wir sind alle Leistungssportler, wir werden aufs Feld gehen und versuchen zu gewinnen.« Allein schon wegen des Gegners. Es geht zu Beginn des Zwischenjahres 2013 ohne großes Turnier auch um das Ausloten der eigenen Möglichkeiten. Wo steht Deutschland, wo Frankreich?

Gerne hätte daher auch Löw die bestmöglichen Startformationen gesehen, doch daraus wird nichts. Nach dem Münchner Bastian Schweinsteiger hatte am Montag das Dortmunder Trio Marcel Schmelzer, Mario Götze und Marco Reus abgesagt. Die Diagnosen des Vereinsarztes reichten von der klassischen Adduktorenzerrung (Reus), über den jahreszeittypischen viralen Infekt (Götze) bis hin zur doch eher exotischen Kombination aus Sprunggelenkkontusion und Racheninfektion (Schmelzer). Auch Miroslav Klose von Lazio Rom wird in Paris keine Chance erhalten, in der ewigen DFB-Torschützenliste das fehlende Tor auf Gerd Müller gutzumachen; er fällt mit einem Bänderriss im rechten Knie mehrere Wochen aus.

»Das ist kein Rückschlag«, urteilte Löw, auch wenn ihm die neben Mesut Özil mutmaßlich wichtigsten Offensivspieler im Klassiker fehlen. Während klar ist, dass Hamburgs René Adler statt der Nummer eins, Manuel Neuer, das Tor hüten wird, ließ Löw die Besetzung seiner Angriffsreihe offen. Kandidaten gibt es genug: Bayerns Mario Gomez dürfte sich nach Spielpraxis sehnen. Und Lukas Podolski hat sich am Wochenende mit einem Siegtreffer für den FC Arsenal nachdrücklich empfohlen.

Podolskis Teamkollege Olivier Giroud könnte derweil für die Franzosen in der Sturmspitze auflaufen. Im Oktober hat er ihnen in der WM-Qualifikation in letzter Minute bei Welt- und Europameister Spanien ein Unentschieden gerettet, das sich wie ein Sieg anfühlte. »Das hat etwas ausgelöst«, sagte Trainer Didier Deschamps. »Dieses Gefühl der Einheit müssen wir kultivieren.«

Im November siegte Deschamps' Mannschaft auch noch beim Vize-Europameister Italien. Der einst eisenharte Abräumer Deschamps ist auch in neuer Funktion kompromisslos. Spieler wie Samir Nasri oder Yann M'Vila hat er nach Disziplinlosigkeiten aussortiert. »Er verteilt keine Geschenke, an niemanden«, sagt Bayerns Franck Ribéry. »Frankreich hat in den letzten Monaten zu alter Stärke zurückgefunden«, bestätigt Löw, der einen echten »Härtetest« erwartet.

Der Erkenntnisgewinn könnte sich trotzdem in engen Grenzen halten. Vor knapp einem Jahr in Bremen siegten die Franzosen 2:1 nach mutigem Spiel, bei der EM aber enttäuschten sie. Im deutschen Tor absolvierte damals übrigens Tim Wiese sein sechstes und bislang letztes Länderspiel. Gewinnen konnte Löws ehemalige Nummer zwei davon kein einziges, was ebenfalls etwas über die Werthaltigkeit dieser Testspiele aussagt. Auch wenn das René Adler sicherlich etwas anders sieht.

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