Werbung

Bestnoten kommen vors Gericht

Ratingagentur Standard & Poor's muss sich wegen Finanzkrise juristisch verantworten

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Die USA verklagen die Ratingagentur Standard & Poor's wegen ihrer Verwicklung in die Immobilienkrise. Die Agentur soll Anleger mit zu guten Bewertungen betrogen haben. Der Streit könnte teuer werden. Denn die US-Regierung will viel Geld.

Die Finanzkrise hat für die Bewertungsagentur Standard & Poor’s (S & P) ein juristisches Nachspiel. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, Hypothekeninvestitionen zu gut bewertet zu haben und damit für die weltweite Finanzkrise mitverantwortlich gewesen zu sein. Das amerikanische Justizministerium reichte deswegen eine Zivilklage in Los Angeles ein, da die kalifornische Metropole einer der Orte war, an dem das Platzen der Immobilienblase 2008 besonders stark zu spüren war.

Im Mittelpunkt des Falles S & P steht die Frage nach einem Interessenkonflikt der Bewertungsagenturen. Diese werden dafür bezahlt, die Kreditwürdigkeit der Investitionen ihrer Auftraggeber zu bewerten. S & P wird nun vorgeworfen, Kunden betrogen zu haben. So habe das Unternehmen wissentlich minderwertige Darlehen als gute Investitionen bewertet. Damit wollte man mit den Hypothekenmaklern im Geschäft bleiben, die ihrerseits die Wertpapiere loswerden wollten, bevor diese an Wert verloren.

Es ist die erste Anklage gegen eine Bewertungsagentur in Folge der Finanzkrise und der daraus resultierenden Rezession. Die Ankläger streben Berichten zufolge ein Strafgeld in Höhe von einer Milliarde Dollar (0,7 Milliarden Euro) an. Es wird erwartet, dass Bundesstaatsanwälte sich an dem Fall beteiligen werden. Diese Strategie wurde bereits in der Vergangenheit angewendet, um gegen große Finanzinstitute vorzugehen.

»Das Justizministerium hat die Samthandschuhe abgelegt. Sie wollen der Bewertungsagentur an den Kragen und werden dazu große Geschütze auffahren«, erklärt Professor Jeffrey Manns von der George Washington Universität.

S & P nahm den Fehdehandschuh auf und bereitet sich auf den Prozess vor. Die Firma glaubt, ungerecht behandelt zu werden. Schließlich gibt es keine Anzeichen einer Klage gegen die beiden großen Wettbewerber Moody’s und Fitch Rating. »Wenn das Justizministerium klagen will, werden wir unser Unternehmen energisch gegen einen sinnlosen Rechtsstreit verteidigen«, heißt es in einer Erklärung der Agentur. S & P wies zudem darauf hin, dass auch andere Bewertungsagenturen Wertpapiere, die durch Hypotheken gestützt waren, gut bewertet haben, bevor die Papiere plötzlich als »toxisch« galten. Nur wenige Menschen hätten außerdem das Platzen der Immobilienblase vorhergesehen.

Die S&P erklärte, ihre Mitarbeiter hätten von ihren Kunden mehr Sicherheiten gefordert, um die guten Bewertungen angesichts eines nachlassenden Marktes aufrecht zu erhalten. Doch da sei es bereits zu spät gewesen. Seit 2007 habe man die Bewertungskriterien verbessert, um ähnliche Probleme in der Zukunft zu vermeiden. Beobachter glauben indes, das Vorgehen der Regierung käme zu spät.

Im Rahmen der Finanzmarktreform der USA wurde bereits 2010 ein Vorschlag eingereicht, der den Interessenkonflikt der Bewertungsagenturen hätte lösen können. Demnach sollte eine staatliche Behörde die Agenturen mit Bewertungen bestimmter Investitionen beauftragen. Der Vorschlag wurde jedoch nicht in ein Gesetz übernommen.

Stattdessen wurde die Börsenaufsicht beauftragt, sich der Problematik anzunehmen. Ende vergangenen Jahres verfasste diese ihren Bericht. Auf die Situation von Kunden, die bezahlen, um bewertet zu werden, wurde nicht eingegangen.

Kommentar Seite 4

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal