Thälmann zurück in Ziegenhals

Max Renkl über die Aufstellung eines Gedenksteins am Ort der KPD-Tagung von 1933

  • Lesedauer: 4 Min.

nd: Am 10. Februar wird ein Gedenkstein gegenüber der abgerissenen Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals aufgestellt. Ein Aktionsbündnis antifaschistisch gesinnter Parteien und Organisationen, ein Bündnis aus Sozialisten und Kommunisten, hat sich darum gekümmert. Wie war es möglich, über Differenzen hinwegzusehen?
Renkl: Alle Beteiligten haben sich auf das Wesentliche, auf das gemeinsame Anliegen konzentriert, nämlich dass wir der »Ziegenhalser Tagung«, Ernst Thälmann und allen Tagungsteilnehmern ein Denkmal setzen. Für uns war wichtig, dass dies kein Grabstein wird, sondern ein Stein des Neubeginns in Ziegenhals, vielleicht sogar ein Grundstein für eine neue Gedenkstätte dort.

Einige Historiker nennen die berühmte Zusammenkunft am 7. Februar 1933 eine illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD, andere sprechen von einer illegalen Funktionärskonferenz, weil nicht alle ZK-Mitglieder anwesend waren, dafür jedoch einige andere KPD-Funktionäre. Auf der Gedenktafel ist nun von einer illegalen KPD-Tagung die Rede. Wie haben Sie sich zu diesem Kompromiss durchringen können?
Man muss in der Politik Widersprüche aushalten können, ohne gleich seine eigene Meinung zu ändern. Der Konsens der Inschrift, auf die sich alle im Aktionsbündnis geeinigt haben, enthält zudem nichts Falsches. Jedoch: Warum sollten wir nicht weiterhin an der Bezeichnung ZK-Tagung festhalten? Welche Kriterien entscheiden letztlich über eine solche Bezeichnung? Ist es die Beschlussfassung oder entscheidet die Tatsache darüber, wer eingeladen wurde? Oder ist es die tatsächliche Anwesenheit von 15 ZK-Mitgliedern und fünf Kandidaten? Wir orientieren uns an 40 Jahren Forschungsarbeit in der DDR, und dort wurde die Bezeichnung ZK-Tagung nicht gekippt. Außerdem halten wir uns an die Zeitzeugenperspektive und die Teilnehmer, die den Faschismus überlebten. Sie waren sich in der Bezeichnung ZK-Tagung einig.

Der Gedenkstein ist mit Spenden finanziert worden. Auch viele nd-Leser gaben Geld. Der Freundeskreis der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals hatte anfangs Vorbehalte gegen diese Vorgehensweise. Er sah die Stadt Königs Wusterhausen in der Pflicht, die auch 10 000 Euro bereitgelegt hatte, aber eine Inschrift vorsah, die die historischen Tatsachen verwischt hätte: »In Erinnerung an den Widerstand gegen Diktatur und Gewaltherrschaft«. Halten Sie die Idee von Michael Wippold (LINKE) im Nachhinein für richtig, dass linke Organisationen die Sache deswegen lieber selbst in die Hand nehmen?
Dem Einzug der falschen »Totalitarismus-These« in unserer Gesellschaft tritt man am besten öffentlich und lautstark entgegen. Genau das haben wir mit unserer Protestnote getan, die im In- und Ausland Unterstützung fand. Im Aktionsbündnis haben wir die Einweihung des Steins und die Jubiläumsveranstaltung organisiert, und wir werden sie gemeinsam durchführen.

Natürlich hätten wir lieber einen von der Stadt bezahlten und beschützten Gedenkstein auf dem historischen Ort gehabt. Aber antifaschistische Einheit hat nun diesen Stein ermöglicht. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, hin zu einer Gedenkstätte in Ziegenhals, und ein bedeutendes Signal für alle Antifaschisten.

Der Freundeskreis fordert den Wiederaufbau der abgerissenen Gedenkstätte am authentischen Ort. Welche Hoffnung machen Sie sich, dass daraus unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen etwas wird?
Eine Wiedererrichtung der Gedenkstätte ist für uns die einzig richtige Antwort auf den Abriss von 2010. Es gibt seit einigen Monaten Gespräche und einen Austausch, um Geldgeber zu gewinnen. Im Moment kann nur soviel gesagt werden, dass diese nicht aus der BRD kommen werden.

Der Freundeskreis hatte schon vor langer Zeit einmal gemeldet, er beabsichtige, das ihm gehörende Inventar der Thälmann-Gedenkstätte übergangsweise in der Nähe von Strausberg auszustellen. Was ist daraus geworden?
Der Käufer des Grundstücks, Gerd Gröger, gab das Inventar an die Stadt Königs Wusterhausen und klagt nun, auf Grundlage des damals geschlossenen Schenkungsvertrages mit der Stadt, die vereinbarten 60 000 Euro in Form einer Spendenquittung ein. Die Stadt ist bereit, ihm etwas zu zahlen. Das ist für uns völlig unverständlich, da Herr Gröger nur Grundstückseigentümer, aber nicht Eigentümer der Ausstellung wurde. Bis diese Angelegenheit geklärt ist, wird Strausberg noch warten müssen. Wir bereiten allerdings eine Dauerausstellung in Berlin vor.

Der private Eigentümer hatte beim Abriss die Absicht, auf dem Gelände Villen errichten zu lassen. Der Abriss der Gedenkstätte erfolgte im Mai 2010. Hat sich seitdem auf der Baustelle in Ziegenhals etwas bewegt?
Gerd Gröger scheiterte allem Anschein nach mit seinem Vorhaben, Villen zu errichten. Es sind inzwischen
zehn Jahre seit der Versteigerung vergangen, das heißt: Herr Gröger kann die Immobilie verkaufen, ohne Spekulationssteuer zu zahlen. Durch das Entfernen von Büschen wird das wohl vorbereitet. Mit einem Hinweisschild auf eine Immobilienfirma, die die gleiche Adresse hat wie das Auktionshaus Karhausen, bei dem Herr Gröger nun AG-Aufsichtsratsvorsitzender und GmbH-Geschäftsführer ist, lockt er jetzt wohl Interessenten.

Löst sich das Aktionsbündnis nach getaner Arbeit auf?
Allen Beteiligten ist klar, dass ein antifaschistisches Denkmal in diesem Land, in diesen Zeiten, des Schutzes und der Pflege bedarf. Schon allein deshalb kann sich das Aktionsbündnis nicht einfach auflösen, ohne eine weitere Betreuung zu gewährleisten.

Fragen: Andreas Fritsche

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