Mit Baggern gegen GEZ

BLOGwoche

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Eine Formel für die Halbwertszeit von Empörungswellen hat Rainer Stadler in seiner Kolumne bei nzz.ch entwickelt. Er kommt in seiner Rechnung auf ca. zehn Tage und führt als aktuelles Beispiel die Sexismus-Debatte an. »Nach dem Startschuss des ›Stern‹ am 24. Januar meldeten sich Anfang dieser Woche bloß noch Nachzügler zu Wort«, stellt er fest.

Stadler begründet dies mit der besonders verstärkenden Wirkung von Wochenblättern und wöchentlichen Talkshows für laufende Debatten und dem angestrebten Timing von betreffenden Medien wie »Spiegel« oder Sendungen mit Günther Jauch oder Maybrit Illner. »Falls die Redaktion eines Wochentitels oder einer Talkshow kurz nach dem Ausbruch einer Empörung unsicher ist, ob sie auf den Zug aufspringen soll, kann sie für die folgende Ausgabe auf einer sicheren Basis entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt hat sie noch eine Chance, eine Diskussion zu befeuern«, unterstellt Stadler.

Einen dritten Versuch zur Einmischung gebe es zu diesem Zeitpunkt kaum noch, da selbst »die Rauflustigen« von dann einsetzender Ermüdung erfasst würden. »Es sei denn, neue Fakten würden bekannt, welche die Sicht aufs Thema völlig umkehren«, so Stadler. Diese Wahrscheinlichkeit sei aber beim Thema Sexismus gering, da die Positionen seit langem bekannt seien: »Die Kämpfer gegen politische Korrektheit, die Empörten, die Betroffenen und die Frauenversteher reden konsequent aneinander vorbei.«

Ein Stück aus dem Kuriositäten-Kabinett fächert Stefan Niggemeier bei bildblog.de auf. Niggemeier zeichnet unterhaltsam und entlarvend nach, wie eine Koalition aus privaten Medien mit absurden Anekdoten gegen die staatliche Konkurrenz und ihre neue Gebührenordnung feuert. Den Anfang machte laut Niggemeier der »Kölner Stadt-Anzeiger« Ende Januar, als er er meldete, die Stadt Köln verweigere die Zahlung der neuen GEZ-Gebühren, da sie sich nicht im Stande sehe, die Frage zu beantworten, ob sie »jetzt auch für unsere Friedhofsbagger Gebühren zahlen müssen«.

Zwar hätte laut Niggemeier ein Blick auf die offizielle Seite des Rundfunk-Beitragsservice genügt, um unter der Rubrik »Kraftfahrzeuge« festzustellen, dass Bagger eindeutig nicht gebührenpflichtig sind. Doch das unpassende Beispiel erschien vielen Redakteuren dann doch so passend zur dringend benötigten Illustration der GEZ als lebensferne Bürokratie-Krake, dass die »Bagger-Gebühren« ihren Weg in zahlreiche Print- und Online-Medien sowie Meldungen der Nachrichtenagentur dpa schafften.

So mussten sich in den letzten Tagen laut bild-blog.de Leser der »Hamburger Morgenpost«, der Fachzeitschrift »w&v«, der »Badischen Zeitung«, des »Stern«, des »Schleswig-Holsteinischem Zeitungsverlags« sowie von »Spiegel Online« völlig umsonst über den neuesten angeblichen GEZ-Schildbürgerstreich erregen.

Zusammengestellt von: Tobias Riegel

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