nd-aktuell.de / 09.02.2013 / Kultur / Seite 24

Streiten mit Tenenbom

»Allein unter Deutschen«

Thomas Blum

Der Bestsellerautor Tuvia Tenenbom war am Donnerstag zu Gast in der Berliner Volksbühne, um dort mit anderen über sein Reportagebuch »Allein unter Deutschen« zu diskutieren, in dem es um seine Erlebnisse als Jude in Deutschland geht.

Zwei der Kontrahenten auf dem Podium hätten unterschiedlicher nicht sein können: Tenenbom, Journalist, US-Amerikaner und Religionskritiker, und Christoph Dieckmann, Journalist, Ostdeutscher und Theologe. Den einen, Typus Dampfplauderer, hält es kaum auf seinem Sessel, wenn er von seinen in Deutschland gesammelten Erfahrungen spricht. Der andere, Typus Musterschüler, sitzt da wie bestellt und nicht abgeholt. Gefallen habe ihm, so schickte Dieckmann voraus, dass es sich um ein »undeutsch lebendiges Reporterbuch« handele. Allerdings sparte er auch nicht an Kritik, was den Stil des Buches angeht: Mit seiner insistierenden Fragetechnik treibe Tenenbom die von ihm Interviewten wiederholt in die Enge, lasse sie nicht ausreden und gerate beim Erzählen mehr und mehr in ein »rhetorisch-polemisches Aquaplaning«, wodurch das Buch subjektiv bleibe, monierte der »Zeit«-Reporter Dieckmann. »Jedem Dahergelaufenen und Stotterer nachzuweisen, er sei ein Antisemit, ist kontraproduktiv.« Tenenbom wusste sich zu verteidigen: »Ich habe mit den Menschen gesprochen und aufgeschrieben, was sie gesagt haben. Das sollten Sie kapieren. Ich habe nichts erfunden.«

Zwischen den beiden saß als eine Art Puffer der Journalist und Schriftsteller Rafael Seligmann, der es sich wiederum ein wenig einfach machte. Freilich gebe es »Judenhass, das wird jeder Jude, der hier lebt, bestätigen können«. Woraufhin er sich an Tenenbom wandte und ihn maßregelte: »Jetzt wirst du mal deinen Mund halten. Ich habe dich ausreden lassen. Jetzt lässt du mich ausreden.« Überall auf der Welt gebe es diskriminierte Minderheiten, die es schwer hätten, nicht nur hier. Er wünsche sich allerdings in Deutschland »ein wenig mehr Sensibilität«, so Seligmann. Wenn beispielsweise, wie geschehen, der ägyptische Präsident Mursi, der Juden als »Nachkommen von Schweinen und Affen« bezeichnet habe, am selben Tag als Staatsgast in Deutschland empfangen werde, an dem auch die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus stattfinde, sei das bestenfalls taktlos zu nennen. Gegen Ende beruhigt sich Tenenbom: »Ich mag Deutschland. Ich bin genauso neurotisch wie ihr. Wir sind eine Familie.«