Nur keine Nostalgie

Der Schauspieler Michael Gwisdek wird am Sonntag für sein Lebenswerk mit der »Paula« geehrt

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

nd: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der »Legende von Paul und Paula«?
Gwisdek: Ich saß auf der Reservebank für den Paul. Regisseur Heiner Carow wollte immer die Domröse und den Glatzeder. Der kam jedoch nicht aus seinem Theaterengagement raus. Die DEFA hat nochmals gecastet, ich habe mich durchgesetzt. Dann hat Glatzeder doch die Freigabe bekommen.

Erfüllt Sie das mit Wehmut?
Überhaupt nicht. Ich bin kein verkrampfter Ehrgeizling, der um Rollen kämpft, habe nie auf ein Ziel hin gearbeitet oder der Vergangenheit hinterhergetrauert. Meine besten Angebote von Regisseuren wie István Szabo oder Bernhard Wicki habe ich abgelehnt, nachdem mein Sohn Robert geboren worden war. Mein Kind war mir wichtiger. Durch diese Lockerheit bin ich noch im Geschäft. Film ist ja Lebenszeit, und die Arbeit muss Spaß machen. Wenn man dafür dann den Silbernen Bären, den Goldenen Hugo des Festivals in Chicago oder die »Paula« gewinnt, hat es sich gelohnt. Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Ich habe einen schönen Garten.

Als Ur-Berliner sind Sie nach Brandenburg gezogen. Was hat Sie aus der Stadt vertrieben?
Das ist bei mir so der Klassiker. Lange war eine Wohnung nicht wichtig, wir waren den ganzen Tag unterwegs. Wenn du älter wirst, dir doch einen Fernseher anschaffst, träumst du plötzlich auch vom Leben auf dem Land mit eigenen Hühnern. Das wollte ich noch erleben.

Ist dort auch Platz für die Erinnerungen an die Filme?
Ich habe weder Fotos noch gute Kritiken aufgehoben. Meinen Enkeln kann ich nicht zeigen, was ich für ein Typ war. Wegen der »Paula« habe ich vor einigen Tagen zum ersten Mal meine Fotogalerie im Internet angeklickt. Ich war erstaunt, wie viel im Lauf der Jahre zusammengekommen ist an außergewöhnlichen Filmwerken wie »Dein Unbekannter Bruder« oder »Olle Henry«, die zum Bestand des Museum of Modern Art in New York gehören. Oder meine Regiearbeit »Treffen in Travers«, die in der Cinématheque Francais aufgehoben wird. Das waren Höhepunkte. Ich habe auch Filme gedreht, bei denen die Kumpels fassungslos reagierten.

Aber warum sollte ich nicht für das »Traumhotel« zusagen? Ich war zwei Monate mit meiner Frau in den schönsten Ecken von Mexiko und habe in den Ruinen der Inkas gedreht. Solche Erlebnisse vergisst du nicht.

In Ihrem ersten Film »Spur des Falken« konnte ich Sie nicht entdecken ...
Da haben Sie nicht richtig aufgepasst. Die acht Wochen im Kaukasus wurden zum wahnsinnigsten Dreh, den ich je erlebt habe. Ich war nur für eine Szene verpflichtet, eine Schießerei mit Rolf Hoppe. Ich bin ein Virtuose im Coltziehen - zur Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule hatte ich einzig das Coltwirbeln geübt, weil ich wie Horst Buchholz werden wollte. Die Szene wurde wegen Wetterkapriolen immer wieder verschoben, ich habe dann die Betreuung der Truppe übernommen. Letztlich wurde meine Rolle von einem Stuntman gespielt, weil ich an dem Tag nicht am Set war. Das Ziehen des Colts wollte der Regisseur trotzdem noch als Großaufnahme meiner Hand haben.

Zuletzt waren Sie in »Die Abenteuer des Huck Finn« besetzt. Schließt sich damit für Sie als Amerika-Fan ein Kreis?
Er würde sich mit einem Film wie »Erbarmungslos« von Clint Eastwood schließen. Mark Twains »Huck Finn« gehört zu den Stoffen, die den Wunsch geweckt hatten, Filmschauspieler zu werden. Ich wollte dorthin, um Abenteuer zu erleben. Das Theater hat mich ja erst später durch die Begegnung mit Leuten wie Heiner Müller gefangen genommen.

Sie haben drei Mal Regie geführt, für »Hai-Alarm« wagen Sie sich jetzt unter die Produzenten. Warum?
Das Drehbuch war so skurril und schräg, dass ich den Film unbedingt drehen wollte. Es war auch klar, dass kein Sender oder Förderer dafür Geld gibt. Als einzige Rettung blieb, dass wir auf die Gage verzichten und Geld mitbringen. So wurden mein alter Freund Henry Hübchen und ich Produzenten.

Und wenn Sie noch einen Wunsch frei hätten?
»Erbarmungslos« von Clint Eastwood.

Wann finden Sie Zeit, an Ihrem Buch zu schreiben?
Ich kann nicht in Rente gehen. Ich bin immer am Schreiben und Ausdenken, ich sehe das nur nicht so verbissen. Das muss sich ergeben. Und ich werde zu oft von guten Angeboten abgelenkt. Oder du drehst mit Freunden, es gibt viele Gründe, um am Set zu stehen. Manchmal verdienst du einen Haufen Geld, und dann bei Studentenfilmen wie »Oh Boy« gar nichts. Du arbeitest, weil es eine gute Rolle ist und es Spaß macht. Ich habe viel zu tun, aber nebenbei immer im Kopf, wie mein nächster Film aussehen wird, den ich als Autor, Regisseur und Schauspieler machen will.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal