EU-Streit um 52 Milliarden?

Fragwürdig

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, hat sofort ein Veto des Parlaments angekündigt, nachdem Zahlen des neuen Finanzrahmens der EU bekannt wurden. Wie wird es jetzt weitergehen?
Swoboda: Eine Grundbedingung dafür, dass das Parlament diesem Haushalt zustimmen wird, ist, dass es Nachverhandlungen gibt.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich auf deutliche Kürzungen geeinigt. Wie schätzen Sie diesen Sparkompromiss ein?
Das Bild, das der Rat momentan liefert, ist nicht sehr rosig. Viele Aspekte, die den Haushalt betreffen, darunter fallen vor allem so wichtige Punkte wie die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder und wirtschaftliches Wachstum, haben in den Entscheidungen keine Berücksichtigung gefunden.

Also hat sich letztendlich das Gepolter eines David Cameron ausgezahlt?
Ja, leider. Aber natürlich denken viele Länder bei dem Thema Ausgabenkürzung ähnlich wie die Briten und sind bei den Verhandlungen gerne auf Camerons Zug aufgesprungen. Auch wenn sie nicht ganz seine Visionen teilen, passen Sparanstrengungen den Nettozahlern der EU sehr gut ins Konzept.

Die berechneten Ausgaben der EU belaufen sich auf 960 Milliarden Euro. Tatsächlich bereitgestellt würden aber nur rund 908 Milliarden. Wie soll diese Finanzierungslücke geschlossen werden?
Natürlich werden die Länder nur den Betrag zur Verfügung stellen, den sie bereit sind, zahlen zu wollen. Es gäbe die Möglichkeit die Fälligkeit für einzelne Beträge zu verschieben oder hinauszuzögern, weil gewisse Programme nicht zu dem genannten Zeitpunkt umgesetzt werden und daher noch keine Zahlungen anfallen. Aber es ist sicherlich ein sehr unschönes Bild, wenn von Anfang feststeht, dass nicht alles gezahlt wird, was man verspricht.

Welche Konsequenzen hat ein derart reduzierter Haushalt für die einzelnen Bereiche der Europäischen Union, insbesondere für die Förderprogramme und Strukturhilfen?
Das muss nun in Ruhe geklärt werden. Eine Sache sind die absolut genannten Zahlen, das andere die spätere konkrete Anwendung. Was skeptisch stimmt, ist, dass Investitionen, z.B. von Infrastrukturprojekten und die Förderung von Beschäftigung anscheinend nicht zu den Prioritäten der Länder gehören. Die Einschnitte werden vor allem die Mitgliedsstaaten treffen, die überhaupt erst mit Mitteln aus dem Strukturförderfonds Investitionen tätigen können. Ein Bereich, in dem ohnehin gespart werden muss, da stimmen wir mit den Ländern überein, sind die Kosten für die Verwaltung.

Sie klingen im Gegensatz zu Herrn Schulz aber sehr gefasst. Viele Projekte, die einer längerfristigen Finanzplanung bedürfen, wären in Gefahr, wenn es zu keiner Einigung zwischen Parlament und Rat kommt.
Auf nationaler Ebene gibt es doch auch genügend langfristige Projekte, die sich nur an einem jährlichen Haushalt ausrichten. Im schlimmsten Fall wird die EU mit einem jährlichen Finanzbudget auskommen müssen und damit werden wir auch ganz gut leben können. Fragen: Christin Odoj

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