nd-aktuell.de / 12.02.2013 / Kultur / Seite 15

Opfer der Anonymität entrissen

Ulla Plener 80

Wolfram Adolphi

Heute wird sie 80 - und hat keine Zeit zum Feiern. Weil sie mitten in der Arbeit steckt. Mit ungeheurer Energie hat Ulla Plener - seit sie 1990 als Dozentin der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED von den Pauschalabwicklern stracks in den Strafruhestand versetzt wurde - als Autorin und Herausgeberin ein um die zwanzig Bücher und etliche Aufsätze zählendes Werk geschaffen, das mit Fug und Recht als außergewöhnlich bezeichnet werden darf. Dass es nicht außergewöhnlich verbreitet ist, hat mit den zeitgeistigen Umständen zu tun.

Schon in der DDR hat sie bemerkenswerte Arbeiten zur Geschichte der SPD und der Arbeiterbewegung vorgelegt. Aber mit welcher Kraft und Konsequenz trieb Ulla Plener die Aufklärung voran, als die Dogmatik-Schranken der SED gefallen waren! Und dies nicht, indem sie alles Bisherige verwarf und leugnete, sondern indem sie, Schmerz herausfordernd und zulassend, eindrang in die aberwitzigen Widersprüche der Sozialismusversuche des 20. Jahrhunderts.

Im Kinderheim der Roten Hilfe in Iwanowo bei Moskau ist die am 12. Februar 1933 in Berlin geborene Tochter der Komintern-Mitarbeiterin und späteren Résistance-Kämpferin Marie-Luise Plener aufgewachsen. In Moskau hat sie 1951 bis 1956 studiert. Nach Moskau ist sie seit 1990 immer wieder gefahren, um den Archiven das Wissen um die Schicksale der Opfer des Stalin-Terrors zu entreißen. 2006 legte sie gemeinsam mit Natalia Mussienko in einem Gedenkband (zuvor schon im »nd« veröffentlichte) Listen von mehr als 500 deutschen Opfern der Erschießungen 1937/38 vor. Aus ihrer Hand stammen Dokumentationen von Frauenschicksalen unter Stalin und deutschen Frauen in der französischen Résistance. Durch Ulla Plener wissen wir mehr über Max Hoelz, Mirko Beer und Helmut Schinkel. Aufhellend auch ihre Arbeiten über die Sozialdemokraten Theodor Leipart und Kurt Schumacher. Mutig ihre Bücher über Wirtschaftsdemokratie und den Widerstand gegen die Treuhand. Und trotzig wie wohlbegründet ist stets ihr Widerstand gegen die »dogmatische Entgegenstellung« von Rosa Luxemburg und Lenin. Streite weiter so, liebe Ulla Plener.

Am 23. 2. lädt die Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin zum Festkolloquium für Ulla Plener unterm Motto »Demokratie - Wirtschaft - Staat« (11 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin).