nd-aktuell.de / 16.02.2013 / Kultur / Seite 26

Wenige Worte, viele Fragen

MEDIENglosse: Schriftsteller sucht ...

Eckart Roloff

So stand sie in einer süddeutschen Zeitung, nebenstehende Kleinanzeige mit der großen Hoffnung auf das ganz große Geld. Schriftsteller sucht - ja was? Mindestens 262 000 Euro. Was will uns der Dichter damit sagen? Und was sagt er von sich? Kaum etwas. Wo lebt er? Keine Ahnung. Wie alt ist er? Sagt er nicht. Hat er schon was geschrieben, sagen wir Romane, Gedichte, Sachbücher? Keine Auskunft. Nur dieses selbstverliehene Prädikat: »aufstrebend«. Doch wie hoch wird gestrebt, wie aussichtsreich, seit wann?

Immerhin, zwei Kinder werden erwähnt, kleine Töchter. Und der Status verheiratet. Doch dann der Paukenschlag. Diese gewaltige Summe: exakt 262 000 Euro, so zum Leben. Anscheinend sehr genau kalkuliert. Doch warum gleich so viel? Und wofür? Sind da vielleicht ein paar Weltreisen dabei? Aufenthalte in hochherrschaftlichen Schlössern und Burgen à la Rilke, der da erst so richtig auf dichterische Touren kam? Geht es denn gar nicht etwas günstiger? Man bedenke: Wie viele große Werke kamen in zugigen Hütten zur Welt, in verrauchten Cafès!

Sagen wir, der Mann braucht für sein Buch zwei Jahre (für einen Aufstreber müsste das gut zu schaffen sein), dann veranschlagt er für seinen Ehrensold pro Monat knapp 11 000 Euro. Das ist dann doch deutlich mehr als das, was der deutsche Arbeitnehmer monatlich so zur Verfügung hat; das sind derzeit durchschnittlich 1540 Euro. Dafür leiste ich aber mehr als der Durchschnitt, wird der Verfasser des Inserats entgegnen. Doch wenn er null komma nix zustande bringt? Gibt es dann Geld zurück?

Nehmen wir weniger pessimistisch an, unter den angepeilten Literaturliebhabern meldet sich jemand und wird zum Mäzen - macht man dann einen Vertrag zum angedachten Gegengeschäft, zur Rolle in dem Roman? Wie groß ist die Rolle? Pro 1000 Euro ein Satz mit 37 Zeichen oder so? Und wie wird der Mäzen dargestellt - edelmütig, schurkisch, dummdreist, heldenhaft, verschlagen, rätselvoll? Und unter welchem Namen?

Da tun sich schon ein paar Fragen auf, so vor Vertragsabschluss. Und falls sich mehrere Mäzene melden - wie werden dann die Haupt- und Nebenrollen verteilt? Schließlich noch das: Was sagt eigentlich das Finanzamt zu diesem Deal? Werden da nicht Steuern fällig? Und kann der Mäzen diese seltene Art von Spende von seiner Steuerschuld absetzen?

Fragen über Fragen. Mit anderen Worten: Man könnte darüber einen Roman schreiben. Auch ein Drama, auch eine Komödie, mit oder ohne Happy end. Kostet keine 262 000 Euro.