Pistorius bestreitet Mordvorwurf

Staatsanwaltschaft glaubt ihm nicht

  • Lesedauer: 3 Min.
Vier Schüsse durch die verschlossene Badezimmertür: Paralympics-Star Pistorius sagt, nicht seine Freundin sondern ein vermeintlicher Einbrecher sei das Ziel gewesen. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm nicht.

Der wegen Mordes angeklagte Oscar Pistorius hat die Schüsse auf seine Freundin zugegeben, jedoch jede Tötungsabsicht bestritten. Er habe gedacht, er schieße auf einen Einbrecher, so eine Erklärung des 26-Jährigen, die sein Anwalt Barry Roux am Dienstag vor Gericht in Pretoria verlas. »Ich hatte nie die Absicht, meine Freundin zu töten.« Er widerspreche den Anschuldigungen »aufs Schärfste«.

Das Gericht folgte der Staatsanwaltschaft und ließ die Anklage wegen »vorsätzlichen Mordes« zu. Die Verteidigung hatte gehofft, dass Pistorius wegen Mordes in einem minder schweren Fall angeklagt werde. Dann wären die Chancen besser, gegen Kaution freizukommen. Die Anklagebehörde möchte, dass Pistorius bis zum Prozess in Untersuchungshaft bleibt. Eine Entscheidung wird am heutigen Mittwoch erwartet.

Pistorius habe eine »unschuldige und unbewaffnete Frau« getötet, sagte der Staatsanwalt. Es gebe ein klares Mordmotiv, betonte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Es gebe zudem keine Hinweise, die die Angaben zu einem Einbrecher stützten. Nach Darstellung des Staatsanwalts hatte Pistorius in der Tatnacht im Schlafzimmer seine Beinprothesen angezogen, bevor er mit einer Pistole zum sieben Meter entfernten Badezimmer ging. Dort habe sich seine Freundin, die am Vorabend ins Haus gekommen sei, befunden. Pistorius habe vier Schüsse durch die verschlossene Tür abgefeuert, drei sollen die 29-Jährige getroffen und tödlich verletzt haben.

Pistorius folgte der Verhandlung am Dienstag sichtlich niedergeschlagen. Er schilderte die Vorgänge aus der Nacht zum Donnerstag völlig anders als die Anklagebehörde: Wie immer habe er angesichts der hohen Gewaltkriminalität in Südafrika mit einer Pistole unter dem Kissen geschlafen. »Ich dachte, jemand wäre in mein Haus eingedrungen und ich war zu ängstlich, das Licht anzumachen.« Er habe gedacht, seine Freundin liege neben ihm im Bett. Er habe dann aus Angst, und um sich und seine Freundin zu schützen, geschossen. Erst später habe er realisiert, dass Reeva im Badezimmer gewesen sei. Er habe dann einen Kricketschläger genommen und die Tür eingeschlagen. Dann habe er seine Freundin, die noch lebte, auf dem Boden gefunden. »Sie starb in meinen Armen...« Der Mordvorwurf sei völlig haltlos.

Pistorius' Anwälte plädierten zunächst für eine Anklage wegen Mordes im minder schweren Fall, was im deutschen Recht Totschlag entspricht. Nicht immer, wenn jemand zur Waffe greife, handele es sich um einen Mord, sagte Anwalt Barry Roux. Die auf zwei Tage angesetzte Verhandlung fand in einem überfüllten Saal statt. Obwohl für etwa 40 Zuschauer zugelassen, drängelten sich dort über 100 Menschen. Pistorius wird von renommierten Juristen und Experten unterstützt. Zu ihnen zählen Staranwalt Kenny Oldwage, der britische Medienberater Stuart Higgins und der südafrikanische Forensiker Reggie Perumal.

In Port Elizabeth fand am Dienstag ein Gottesdienst für Reeva Steenkamp statt. Etwa 90 Menschen durften auf Einladung der Familie an der Gedenkfeier in der Kirche des Victoria Park Friedhofs teilnehmen. Steenkamps Onkel erinnerte an das Engagement der Getöteten im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. »Sie wird stets in unserem Herzen bleiben«, sagte Mike Steenkamp. dpa

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