nd-aktuell.de / 23.11.2005 / Ratgeber

Arbeitnehmerüberlassung: Wer darf bei Leiharbeit Weisungen und Abmahnungen erteilen?

Teil 1

Bundesweit arbeiten heute fast eine halbe Million Arbeitnehmer in Leiharbeit, die weiter zunehmend an Bedeutung gewinnt. Arbeitnehmerüberlassung (auch Leiharbeit oder Zeitarbeit genannt) liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in einem Fremdbetrieb (Entleiher) erbringt, das Arbeitsverhältnis aber zwischen dem Betrieb (Verleiher) und dem Arbeitnehmer fortbesteht.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz regelt die zum Teil für den Arbeitnehmer nicht immer übersichtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Verleiher, dem Entleiher und dem Arbeitnehmer. Der folgende Beitrag beantwortet Leserfragen zu diesem Thema.

Ich arbeite in einem Verleiherbetrieb und leiste meine Arbeit je nach Anforderung in Fremdbetrieben. Wer hat das Recht, mir Weisungen zu erteilen oder eine Abmahnung auszusprechen?
Der Arbeitnehmer hat das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiherbetrieb abgeschlossen. Obwohl der Entleiher nicht Arbeitgeber ist, übernimmt er gegenüber dem entliehenen Arbeitnehmer bestimmte Rechte und Pflichten. Mit der Entleihung wird auch das Direktionsrecht auf den Entleiherbetrieb übertragen, da nur so eine ordnungsgemäße Arbeitsausführung ermöglicht wird. Daraus folgt, dass der Entleiher Art, Ort und Zeit der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers im Rahmen der betrieblichen Regelungen bestimmt.
Der Entleiher hat das Recht, die Arbeit zu organisieren und dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen. Er ist aber nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer bei Verletzung seiner Arbeitspflichten eine Abmahnung auszusprechen. Dieses Recht steht auf Empfehlung des Entleihers nur dem Arbeitgeber des Arbeitnehmers, also dem Verleiher zu.

Habe ich als Leiharbeiter einen Anspruch auf die gleiche Entlohnung, die die Kollegen im Entleiherbetrieb bei gleicher Tätigkeit erhalten?
Zu den wichtigsten Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zählt ab Anfang vergangenen Jahres der Gleichbehandlungsgrundsatz der Leiharbeitnehmer. Der Verleiher, also der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, ist danach verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung ein Arbeitsentgelt zu gewähren, das ein vergleichbarer Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb erhält.
Davon gibt es nur zwei Ausnahmen:
- War der Arbeitnehmer zuvor arbeitslos, ist es zulässig, ihm für die Dauer von höchstens sechs Wochen ein niedrigeres Nettoarbeitsentgelt zu gewähren, allerdings mindestens in Höhe des Betrages, den er zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat.
- In einem für den Verleiher geltenden Tarifvertrag können abweichende, für den Arbeitnehmer ungünstigere Vereinbarungen getroffen sein. Auch nicht tarifgebundene Verleiher können die Anwendung solcher tariflicher Regelungen mit dem Leiharbeitnehmer im Arbeitsvertrag vereinbaren. Vereinbarungen hingegen außerhalb der tariflichen Regelungen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, sind unwirksam. Zu dem vergleichbaren Arbeitsentgelt zählen auch Zuschläge, Ansprüche auf Lohnfortzahlung sowie andere Lohnbestandteile.

Wonach richtet sich beim Leiharbeitnehmer die Dauer der Arbeitszeit und des Urlaubs? Nach den Regelungen, die im Verleiher- oder im Entleiherbetrieb gelten?
Für die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer grundsätzlich die für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen zu gewähren. Mit dem Rechtsanspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen für die Zeit der Überlassung wird der Leiharbeitnehmer einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gleichgesetzt. Dabei handelt es sich neben dem Lohn vor allem auch um die Dauer der Arbeitszeit. Für den Urlaub gilt: Obwohl der Leiharbeitnehmer grundsätzlich einen Urlaubsanspruch gegenüber seinem Verleiherbetrieb hat, richtet sich die Dauer des Urlaubs für die Zeit der Arbeitnehmerüberlassung nach den im Entleiherbetrieb geltenden Urlaubsregelungen.

Wenn ich als Leiharbeitnehmer neu in einem Fremdbetrieb anfange, welche Möglichkeiten habe ich dann, mich über meine Rechte zu informieren?
Der Leiharbeitnehmer hat das Recht zu überprüfen, inwieweit der Verleiher und der Entleiher ihren Verpflichtungen aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nachkommen. Eine Garantie für die Verwirklichung dieses Rechts ist ein Auskunftsanspruch, den der Leiharbeitnehmer gegenüber dem entleihenden Betrieb hat. Er kann vom Entleiher Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Das gilt auch für alle anderen, den Arbeitseinsatz im Fremdbetrieb betreffenden Fragen.
(wird fortgesetzt)

Dr. PETER RAINER