nd-aktuell.de / 28.02.2013 / Politik / Seite 2

Fliegender Flickenteppich

Mindestlohn zwischen Bundesrat und Bundestag

Die Bedingungen für gesetzliche Mindestlöhne in Deutschland scheinen gerade günstig. Doch die realen Verhältnisse lassen ahnen: In dieser Legislaturperiode kommt nichts mehr, das den Namen Mindestlohn verdiente. Zwar wird der Bundesrat schon am Freitag eine Initiative für einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn beschließen, die neuen Kräfteverhältnisse machen es möglich (Bericht auf Seite 6). Rheinland-Pfalz und sechs weitere Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung streben an, dass für alle vollzeitbeschäftigten Menschen »ein existenzsicherndes und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen und soziokulturellen Leben ermöglichendes Einkommen erreichbar wird«, wie es im Entwurf heißt. Berlin wird sich der Stimme enthalten - wegen des Meinungspatts in der rot-schwarzen Regierung. Die Länder haben sich in der Initiative auf 8,50 Euro geeinigt, eine Höhe für den Mindestlohn, wie ihn die SPD und auch die Gewerkschaften vertreten. Die LINKE hält einen Betrag von zehn Euro für notwendig, die Grünen finden 7,50 Euro ausreichend.

Das Problem ist: Ein Beschluss der Länderkammer reicht nicht aus, um den Plan - in welcher Ausgestaltung auch immer - Wirklichkeit werden zu lassen. Die Bundestagsmehrheit wird ihn stoppen. Allerdings stehen die Zeichen auch hier günstig, nachdem die Regierungsparteien Union und FDP sich dem Thema über Jahre hinweg gänzlich verweigert haben. Sicher nicht ganz unabhängig von dem nahenden Termin der Bundestagswahl im September nimmt es nun in den Debatten der Union Gestalt an, und die FDP bekundet zögernd Einverständnis.

Das ideelle Opfer hält sich freilich in Grenzen, denn die Regelung, vertreten vor allem von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), setzt auf Lohnuntergrenzen, die nach Branchen und Regionen unterschiedlich ausfallen würden. Einen Tarif-Flickenteppich befürchten die Kritiker deshalb, der zudem dazu führt, dass jetzt als sittenwidrig kritisiertes Lohndumping gesetzliche Adelung erhalten würde. Auch in Branchen, in denen weniger als die Hälfte der Beschäftigten tariflich bezahlt wird, sollen sich die Tarifpartner auf einen Mindestlohn einigen können. Diesen würde die Bundesregierung für allgemeinverbindlich erklären. Bislang liegt diese Grenze bei 50 Prozent.

Ein entsprechendes Gesetz, falls sich die Koalition einigen kann, würde mit dem Mehrheitssegen des Bundestages im Bundesrat landen. Dessen Widerstand wäre absehbar, der Vermittlungsausschuss könnte es aber nicht aufhalten. Schaffte die Koalition es mit dem Mindestlohn bis zur Bundestagswahl, wäre dies ein willkommener Werbeballon. Quasi ein fliegender Flickenteppich. uka