nd-aktuell.de / 02.03.2013 / Kommentare / Seite 27

Entschärfung für die sächsischen Bürger

Rico Gebhardt

Ohne Kredite kein Kapitalismus - warum sind wir LINKE überhaupt gegen die »Schuldenbremse«? Weil Kredite auch für die öffentliche Hand eine mögliche Einnahmequelle sind. Wenn man allerdings in einem Landesetat mehr Zinsen zahlen muss, als Kredite aufgenommen werden können, schrumpft der Handlungsspielraum trotz Verschuldung. Deshalb kritisiert die LINKE in ihrem Programm auch die »übermäßige Verschuldung öffentlicher Haushalte«, da diese unter anderem »die Abkehr von der Wachstumsfixierung« blockiert.

Das Verhandlungsergebnis zu Änderungen der sächsischen Verfassung, das wir erreicht haben, lautet: Die unter dem damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück 2009 ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse wird für Sachsen entschärft: Schon bei mindestens drei Prozent Steuermindereinnahmen im Vergleich zu den letzten vier Jahren können Kredite aufgenommen werden. Dies hätte 2010 Kredite in Höhe von 800 Millionen Euro ermöglicht. Bei der Aufstellung des Landeshaushalts muss künftig - einmalig in Deutschland - neben Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Grundsatz des sozialen Ausgleichs berücksichtigt werden. Den Kommunen wird die Finanzierung der ihnen übertragenen Aufgaben erstmals umfassend und dauerhaft garantiert. Und ein Fonds für die Beamtenpensionen wird in die Verfassung aufgenommen.

Oskar Lafontaine hat vor einem Jahr im Interview mit dem Deutschlandradio gesagt: »Schuldenbremse ja, selbstverständlich. Das Problem ist ja nur, dass viele Diskussionsteilnehmer unter Schuldenbremse nur Ausgabenkürzungen verstehen. Das ist eine wirklich verheerende Folge, die der Neoliberalismus mit seinen Irrungen angerichtet hat. Man kann auch die Einnahmen verbessern und so die Schuldenbremse einhalten.«

Deshalb unterstütze ich den Ansatz im Entwurf unseres Bundestagswahlprogramms, in dem es heißt: »Verschwiegen wird, dass die Rettung der Banken die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben hat - es profitieren nicht zuletzt deutsche Banken. Wir wollen aus der Schuldenspirale aussteigen. Die wirklichen Verursacher und Profiteure der hohen Staatsschulden müssen zur Verantwortung gezogen werden.« Steuern hoch für Reiche, Profiteure und Banken - das ist eine linke Schuldenbremse!

Sachsen nimmt seit 2006 keine neuen Kredite auf, wir haben als Landtagsfraktion seit 2000 unsere alternativen Haushaltsansätze ohne Forderung nach zusätzlicher Neuverschuldung erstellt. Dennoch stehen in unserer Alternative für den Doppelhaushalt 2013/2014 z.B. 110 Millionen Euro für die Höhergruppierung von Lehrkräften, 166 Millionen für preisgünstigeren, flächendeckenden Öffentlichen Personennahverkehr, 170 Millionen Euro mehr im Wissenschaftsetat insbesondere für Verbesserung der Studienbedingungen, 220 Millionen Euro zusätzlich für die Kommunen für Kinderkrippen, Kindergärten und Horte.

Das Parteiprogramm der LINKEN sieht den Stand der Staatsverschuldung kritisch: »Auch die steigende Staatsverschuldung der USA (...) hat zum Aufblähen der Finanzblase beigetragen.« (S. 21) »Der heutige Imperialismus stützt sich vor allem auf ökonomische Abhängigkeit und Verschuldung.« (S. 25). Deshalb besteht der Schlüssel für linke Gerechtigkeitspolitik in der massiven Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums. Den Staat durch Einnahmen stark machen und die Verschuldung dadurch bekämpfen - diesen klugen Ansatz sollten wir nicht verwässern.

Wir sagen »Hartz IV muss weg!« und machen für Betroffene Verbesserungsvorschläge von der Anhebung des Regelsatzes bis hin zur Sanktionsfreiheit. Das ist konstruktive Dialektik. Wer nicht nur »Nein« sagen, sondern aktive linke Gestaltungskraft sein will, darf die Menschen auch mit den Folgen der Schuldenbremse nicht allein lassen. Wir haben als Fraktion die Chance genutzt, für Sachsen die Schuldenbremse zu drosseln und einen verfassungsrechtlich verankerten Schutzschirm für Soziales und Kommunen zu erreichen.

Ja, Sachsen ist ein haushaltspolitischer Sonderfall. Aber immerhin lebt hier fast jeder dritte Ostdeutsche - und wenn die Partei ihre Handlungsoptionen für diese Menschen wegen falsch verstandener Tabus nicht nutzt, stellt das ihren Gebrauchswert für Wähler/innen insgesamt in Frage.