nd-aktuell.de / 04.03.2013 / Brandenburg / Seite 13

Ursache für Erreger ist unklar

Charité sucht am Standort Virchow-Klinikum nach Quelle resistenter Bakterien

Ulrike Henning

Der Zustand von drei mit dem Erreger Klebsiella pneumoniae infizierten Patienten in der Charité ist noch kritisch. Sie erhalten ein Antibiotikum, das wegen seiner Nebenwirkungen eigentlich schon seit längerem nicht mehr eingesetzt wird - aber vermutlich gerade deshalb noch bei den Klebsiellen wirkt. Außerdem werden die Betroffenen jetzt isoliert betreut und gepflegt. Zwei der in der Charité mit dem Erreger infizierten Patienten waren zuvor an ihren schweren Grunderkrankungen gestorben, nicht an den Keimen selbst, so hieß es Mitte der vergangenen Woche seitens einer Krankenhaussprecherin.

Das Universitätsklinikum musste am 15. Februar dem Gesundheitsamt Mitte den Ausbruch einer Klebsiellen-Infektion von einer Station am Standort Virchow-Klinikum melden. Eine solche Meldung ist verpflichtend, wenn zwei oder mehr Infektionen mit einem Erreger am gleichen Ort oder zur gleichen Zeit auftreten.

Klebsiellen gehören zu den normalen Bewohnern des menschlichen Verdauungstraktes - einschließlich der Mundflora. Der jetzt aufgetretene spezielle Stamm bildet das Enzym Carbapenemase, das ihn gegen Carbapeneme resistent macht, eine Gruppe von Notfall- oder Reserve-Antibiotika. Diese werden eingesetzt, wenn nichts anderes mehr hilft. Die Carbapeneme bilden sozusagen eine letzte medizinische Verteidigungslinie. Gefährlich werden die Stäbchenbakterien, wenn sie in die Blutbahnen von Menschen mit bereits geschwächtem Immunsystem gelangen, sie rufen dann Infektionen der Harn- oder Atemwege hervor.

Besonders häufig ist dieser Stamm der resistenten Keime - KPC-3 abgekürzt - in Südeuropa, vor allem in Griechenland. Dort konnte er sich vermutlich so stark ausbreiten, weil Antibiotika frei verkäuflich sind und häufig in falscher Dosierung eingenommen werden. In letzterem Fall bilden sich dann resistente Vertreter.

Die betroffene Station der Charité ist darauf spezialisiert, schwerstkranke Patienten aus anderen Krankenhäusern aus dem nord- und ostdeutschen Raum aufzunehmen, bei denen Lungen und andere Organe versagt haben. Bereits seit einem Jahr werden alle neu eingewiesenen Personen auf verschiedene gefährliche Erreger per Abstrich kontrolliert. Außerdem gibt es wöchentliche Extra-Screenings auf gram-negative Bakterien, zu denen auch die KPC gehören. Schon 2012 waren diese Bakterien über vier Monate bei fünf Patienten entdeckt worden, der Ausbruch konnte aber gestoppt werden. Eine andere Erkrankungswelle gab es zuvor auch in Leipzig. Dort entstand zwischen 2010 und 2012 eine lange Infektionsserie mit KPC, in deren Verlauf 30 Menschen starben. Mindestens 95 hatten sich infiziert. Hier war der Keim offenbar von einem Griechenland-Urlauber eingeschleppt worden.

Noch ist nicht völlig ausgeräumt, dass es an der Charité Nachlässigkeit bei den Hygienemaßnahmen gegeben haben könnte. Klarheit darüber, wie die Keime auf die Station gekommen sind, schaffen vielleicht die beiden so genannten Ausbruchsteams, ein internes und ein weiteres unter Beteiligung des Landesamtes für Gesundheit. Bisher gebe es keinen Hinweis, dass die Erreger aus dem Ausland eingeschleppt wurden, so verlautet aus der Klinik.

Jährlich sterben in Europa 50 000 Patienten nach einer Krankenhausinfektion. Allein 20 000 Sterbefälle in diesem Zusammenhang schätzt die Gesellschaft für Krankenhaushygiene für die Bundesrepublik. Allein drei Millionen Menschen infizieren sich mit gefährlichen Keimen europaweit pro Jahr. Die sich daraus ergebenden Probleme sind nicht neu. Angesichts weiter zunehmender Mobilität von Menschen und Waren werden sie weiter zunehmen.

Verschärft wird die Gefahr derartiger Infektionen nicht nur durch den unsachgemäßem Einsatz von Antibiotika, sondern auch dadurch, dass seit den 80er Jahren keine neuen Klassen dieser Medikamente entwickelt wurden. Immer wieder weisen Kritiker auch auf eine unzureichende Hygieneausbildung sowohl der Ärzte als auch der Pflegekräfte hin. Zudem könnte der Kosten- und Zeitdruck in den Kliniken dazu führen, dass entsprechende Vorschriften nicht eingehalten werden.