nd-aktuell.de / 08.03.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Wege zum Ökokapitalismus

Grünen-Vordenker Ralf Fücks beschreibt, wie umweltfreundliches Wachstum möglich werden kann

Aert van Riel

Der Kapitalismus befindet sich in einer schweren Krise. In dieser Zeit werden Fragen nach den Grenzen des Wirtschaftswachstums wieder aktuell. Gegen diese Skepsis, die auch so manches Mitglied der Grünen teilt, hat Ralf Fücks nun das Buch »Intelligent wachsen: Die grüne Revolution« geschrieben. Für den Vordenker grüner Wirtschaftspolitik ist Wachstum notwendig, um Wohlstand zu sichern. Das alte Modell, das auf fossilen Energien und auf Raubbau an der Natur gegründet war, will Fücks aber überwinden. Denn dieses hat ökologische Krisen zur Folge. Dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung schwebt hingegen ein »Wachsen mit der Natur« vor. Um dies zu verwirklichen, soll »Biotechnologie« zur neuen Leitwissenschaft werden, biologische Prozesse und Ressourcen technisch genutzt werden. Er analysiert die Möglichkeiten künstlicher Photosynthese und die Effektivität von Mikroorganismen. Zudem denkt Fücks über Chancen des ökologischen Bauens und einer Hightech-Biolandwirtschaft nach.

Der Autor war Ende der 1980er Bundessprecher der Grünen, später Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Bremen. Schon damals galt er als Pragmatiker. Sein Buch ist das Werk eines Politikberaters. Er liefert darin das Fundament für die grüne Politik eines »Green New Deal«. Danach soll der Staat in Bildung, Wissenschaft, Forschung sowie in Infrastruktur und in die Energiewende investieren.

Bei den Staatsausgaben setzen sich die Grünen allerdings selbst Grenzen: Nachhaltigkeit bedeutet für Fücks und seine Partei sowohl die Senkung der Staatsverschuldung als auch das Ende eines ressourcenintensiven Wachstums. Sie befürworten die Schuldenbremsen, die nach deutschem Vorbild durch den Fiskalpakt auch in anderen Ländern der EU wirksam werden. Die dadurch forcierte Sparpolitik geht vor allem zulasten des Sozialstaates.

In Fücks’ Überlegungen spielt soziale Gerechtigkeit beim ökologischen Umbau eine untergeordnete Rolle. Der Begriff »sozialverträglich« bleibt eine leere Worthülse. Deutlicher wird der Sozialwissenschaftler, wenn er die Reformen lobt, die Altersarmut zur Folge haben, wie etwa die Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

In der Wirtschaft will Fücks neue Verbündete für die grünen Ideen finden. Dass die Grünen zugleich ökologisch und wirtschaftsfreundlich sind, ist für ihn längst kein Widerspruch mehr. Denn viele Firmen hätten sich inzwischen für gesellschaftliche Fragen geöffnet, und ökologische Belange seien in Unternehmensstrukturen verankert. Kritiker, die darin nur einen Marketingdreh sehen, sind für Fücks schlicht Ignoranten. Die Konsumenten hätten ebenfalls ihr Verhalten geändert. Die Nachfrage nach Fair-Trade- und Bio-Produkten steigt. Abnehmer ist vor allem die grüne Mittelschicht, die sich diese Waren leisten kann.

Bis zur Verwirklichung eines globalen Ökokapitalismus ist es aber noch ein weiter Weg. Dabei soll die Politik der Bundesrepublik ein Vorbild für andere Länder sein. Deutschland sei zu einem globalen Referenzmodell geworden, dass wirtschaftliches Wachstum, bessere Umweltqualität und sinkende Emissionen Hand in Hand gehen können, meint Fücks. Doch zur Euphorie gibt es keinen Grund. Der Autor konnte beim Schreiben nicht wissen, dass hierzulande der Treibhausgasausstoß im Jahr 2012 um 1,6 Prozent gestiegen ist.

Ralf Fücks: Intelligent wachsen: Die grüne Revolution. Carl Hanser Verlag, München. 362 Seiten, gebunden, 22,90 €.