BLOGwoche: Verständlich schreiben ... und denken

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Zahl der Bürger mit ausländischen Wurzeln in Deutschland steigt seit Jahren. In den Medien ist diese Bevölkerungsgruppe aber immer noch unterrepräsentiert. Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Magazins »Chrismon«, Christian Sauer, erklärt in einem Interview auf newsroom.de gegenüber dessen Chefredakteur Bülend Ürük, warum das ein Problem der Medien und nicht eines der Migranten ist: »Ich kenne im Moment kaum ein spannenderes Milieu als das der aufstiegsorientierten Deutschen mit Wurzeln im Ausland. Ich sage bewusst nicht Migranten, weil es so technisch klingt und sich so anhört, als würden diese Menschen morgen weiterziehen. Egal ob mit deutschem Pass oder ohne, diese Einwanderer haben sich Zugang zur weiterführenden Bildung erkämpft, sie streben wirtschaftlich und sozial nach oben, sie gründen Unternehmen, mischen sich ein. Sie wagen etwas, und sie gestalten auch politisch zunehmend mit.«

Und warum tun sich die aufstiegsorientierten Neudeutschen mit den deutschen Medien so schwer? Sauer: »Vor allem weil es noch das Hindernis Sprache gibt. Viele Bürger mit ausländischen Wurzeln haben keine Freude daran, Zeitungstexte zu lesen - sie erinnern sie an die Schule und an die Mühe, komplexe deutsche Sachtexte zu verstehen. Wenn die Redaktionen daran etwas ändern wollen, helfen keine Ghetto-Rubriken mit Pidgin-Sprache, da hilft nur eins: verständlich schreiben.«

Über das Stichwort Sprache kommen wir zu sprachlichen Missverständnissen ganz anderer Art. Den Kurzzeitaufreger der Woche produzierte Bundespräsident Joachim Gauck. Bezugnehmend auf den Twitter-Aufruhr um die verbalen Grabschereien des FDP-Politikers Rainer Brüderle beklagte Gauck einen »Tugendfuror« in den Medien und handelte sich daraufhin Ärger mit Femministinnen ein. Ein neuerlicher Aufschrei auf Twitter ist aber ausgeblieben, weshalb die Sache auch in den konventionellen Medien weitgehend wieder in Vergessenheit geraten ist. Der Blogger Robert von Lubo nahm die Brüderle-Gauck-Debatte zum Anlass, sich auf tolleneuewelt.blogspot.de generell Gedanken über die Erregungsmaschine namens Medien Gedanken zu machen. Er schreibt: »Es sind Skandale und Debatten, deren einziger Wert die Unterhaltung ist. Dabei entstehen tonnenweise Artikel, wiederaufbereiteter Müll, umformulierte Agenturmeldungen. Ein einziger zäher Einheitsbrei, wohin man blickt, wohin man liest. Dann sagt ihr, der Betreffende wurde nicht in die Öffentlichkeit gezwungen, er muss mit den Konsequenzen, den Erwartungen, damit muss er leben. Aber euch, liebe Medien, zwingt doch auch niemand dazu, jemanden niederzumachen und niederzuschreiben.«

Zusammengestellt von: Jürgen Amendt

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