Auf, auf zum Kampf

Mit fliegenden Fahnen und Rainer Brüderle an der Spitze zieht die FDP in den Bundestagswahlkampf

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende verbreitete eine kämpferische FDP-Spitze Zuversicht. Zu einigen faustdicken Überraschungen kam es sowohl bei der Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden als auch bei der Kür der Präsidiumsmitglieder.

»Wir überlassen nicht diesen Fuzzis, diesen Typen unser Land«. Was klingt wie der Auszug aus einer Hetzrede von NPD-Politiker Udo Voigt ist liberale Rhetorik anno 2013. Das Zitat stammt aus der 75-minütigen Rede von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, der sich am Sonntag von mehr als 600 Delegierten per Beifall zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl küren ließ. Eine Wahl war nicht vorgesehen. Sein Wahlkampfgetöse gipfelte in dem abstrusen Versprechen: »Wir machen einen Wahlkampf - da brennt der Baum«. Der einstige FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum wird das hoffentlich nicht missverstanden haben. Die von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin für möglich gehaltene Vermögensabgabe nannte Brüderle »Mao-Zuschlag des Möchtegern-Finanzministers«. Aber auch der Koalitionspartner bekam einiges zu hören. So habe die Union in den vier Jahren einer Großen Koalition »ein wenig viel sozialdemokratischen Speck angesetzt«. Bis die FDP kam und ihr ein marktwirtschaftliches und bürgerrechtliches »Fitnessprogramm« verordnet habe.

Brüderle war auf dem zweitägigen Bundesparteitag im Berliner Estrel-Hotel nicht der einzige, der über die rhetorischen Stränge schlug. In ihrem Bemühen, möglichst kämpferisch zu wirken, verloren sich einige Oberliberale in teilweise peinlichen Unterstellungen und Stereotypen. Etwa Parteichef Philipp Rösler, der sich in seiner Rede am Sonnabend vor allem auf die Grünen einschoss. »Wir machen nicht nur Kuschelpolitik und tanzen im Kirschblütenregen«, unterstrich Rösler mit Verweis auf die ach so weltfremden Ökos. »Aus Blau-Gelb wird kein Grün«, so die ganz persönliche Farbenlehre des alten und neuen Vorsitzenden. Eine Passage seiner Rede ließ dann aufhorchen. Zum Thema Mindestlohn sagte Rösler, die FDP könne sich den Schwierigkeiten, die es in Regionen ohne Tarifpartner gebe, nicht verschließen. Sie müsse diese lösen, ohne die Tarifautonomie aufzugeben. Einige hielten sich hier beim Beifall deutlich zurück. Doch der Parteitag verzieh ihm dies und bestätigte Rösler mit etwas mehr als 85 Prozent im Amt. Damit verlor er im Vergleich zur letzten Wahl 2011 zwar gut 10 Prozent, aber wer hätte vor zwei Monaten gedacht, dass der 40-Jährige überhaupt noch einmal antreten würde. Seine Tage an der Spitze schienen gezählt, ebenso wie die der FDP. Aber dann kam die Niedersachsenwahl, die den Liberalen beinahe 10 Prozent der Stimmen bescherte. Und den Geist von Niedersachsen wollte Parteispitze auch in Berlin wieder wecken. Auch wenn die momentanen Umfragen die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde sehen.

Homburger unterliegt gegen Zastrow

Das Parteivolk ließ sich von der demonstrativen Euphorie anstecken. »Bei uns im Kreisverband glaubt niemand mehr, dass wir im September unter fünf Prozent bleiben«, so ein Delegierter aus Süddeutschland.

Eine gewisse Brisanz hatte die anschließende Wahl der drei stellvertretenden Parteivorsitzenden. Die drei Amtsinhaber hatten in Ex-Generalsekretär Christian Lindner einen Herausforderer, der die wohl austarierte Arithmetik durcheinander brachte und dessen Wahl als sicher galt. Und so erhielt Lindner denn auch 77 Prozent der Stimmen. Gefolgt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die ihr Image als Verteidigern der Bürgerrechte sorgsam pflegt. Auch für sie war die Kür kein Problem. Spannend wurde es dann bei der Kampfabstimmung um Vizeposten Nummer drei - Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow gegen die Baden-Württemberger Landesvorsitzende Birgit Homburger. Absprachen zwischen den Landesverbänden im Vorfeld sollten eigentlich die Wiederwahl Homburgers sicherstellen. Repräsentierte sie doch den zweitgrößten Landesverband der FDP. Doch es sollte anders kommen. Im ersten Wahlgang verfehlten beide Kandidaten die notwendige Mehrheit. In der zweiten Runde setzte sich dann überraschend Zastrow durch. Somit bleiben die ostdeutschen Landesverbände mit einem der ihren in der Führungsetage vertreten.

Auch im FDP-Präsidium gab es Veränderungen. Nicht mehr dabei ist Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Lediglich 25,3 der Delegierten wollten ihn wieder im Gremium sehen. Viele hatten ihm den Angriff auf Parteichef Rösler auf dem Dreikönigstreffen Anfang des Jahres nicht verziehen.

Präsidiumsitze hart umkämpft

Aber auch der von der Parteispitze favorisierte Herausforder, Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, verpasste den Sprung ins Präsidium. Stattdessen setzte sich Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in der Kampfabstimmung durch. Das Ergebnis fiel zudem deutlich aus. Der Norddeutsche konnte mehr als 63 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, während Bahr sich mit 33 Prozent zufriedengeben musste.

Schon jetzt ist klar: Querkopf Kubicki wird den Unterhaltungswert der Präsidiumssitzungen steigern. Er wolle, so Kubicki in seiner Bewerbungsrede, ins Präsidium »nicht um was zu werden, sondern um was zu bewirken«.

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