nd-aktuell.de / 11.03.2013 / Politik / Seite 6

Es besteht keine Friedenspflicht

GEW-Vorstand Ilse Schaad zum Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst der Länder

Die GEW ist mit dem erzielten Tarifergebnis nicht zufrieden. Ihre zentrale Forderung, die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte, ist nicht umgesetzt.

nd: Was unterscheidet in der aktuellen Tarifrunde die GEW von ver.di oder dem Beamtenbund?
Schaad: Wir sind mit allen beteiligten Gewerkschaften mit vier zentralen Forderungen in die Verhandlungen gegangen: Lohnerhöhung, Übernahme von Auszubildenden, Urlaubsregelung und Lehrereingruppierung. Für uns als GEW hat die Eingruppierung gleichrangig mit der Lohnforderung gestanden.

Warum?
Derzeit werden die Gehälter der angestellten Lehrer einseitig vom Arbeitgeber festgelegt. Damit entscheiden die Länder, in welche Einkommensgruppe die Lehrerinnen und Lehrer eingruppiert werden. Und die Arbeitgeberseite hat in der Vergangenheit Verschlechterungen zu verantworten. Beispielsweise in Bremen oder Niedersachsen wurden Lehrkräfte von E13 auf E11 herabgestuft. Ohne verlässliche Basis kann eine Lohnerhöhung wegschmelzen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir bei der Eingruppierung endlich einen Fuß in die Tür bekommen, damit die Arbeitgeber das nicht mehr allein festlegen können.

Was ist ihre Kritik am Verhalten der Arbeitgeberseite in der Tarifrunde?
Nach langen Gesprächen und Arbeitsgruppensitzungen haben uns die Arbeitgeber am späten Freitagabend einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der in weiten Teilen das Angebot von 2011 wiederholt hat. Was damals gefehlt hat, war eine Verhandlungszusage für die sogenannten Nichterfüller, also Lehrkräfte, die die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht erfüllen - entweder, weil sie nicht beide Staatsexamen abgelegt haben, sondern einen Masterabschluss haben, oder weil sei für die Beamtenlaufbahn als zu alt erachtet werden. Die Arbeitgeberseite wollte mit uns jetzt über diese Nichterfüller verhandeln, hat aber gleichzeitig in einer Protokollerklärung die sächsischen Lehrkräfte als »Erfüller« definiert und damit aus der Verhandlung ausgeschlossen. Das konnten wir nicht mitmachen.

Warum kam es dann überhaupt zur Tarifeinigung?
Was wäre denn die Folge gewesen, wenn wir alles abgelehnt hätten? Die Folge wäre gewesen, die Lohnerhöhung oder die neue Urlaubsregelung hätte für GEW-Mitglieder - Erzieherinnen/Erzieher, Lehrkräfte, Wissenschaftler, Weiterbildner - nicht gegolten, obwohl die von der angestrebten Lehrereingruppierungsordnung (L-EGO) gar nicht betroffen sind. Die Startbasis für die Durchsetzung von L-EGO wäre nicht besser gewesen, sondern schlechter. Dann hätten wir alle Punkte wie Lohnerhöhung und Urlaubsregelung für die GEW-Mitglieder zusammen mit der Eingruppierung noch mal durchsetzen müssen.

Wie geht es jetzt weiter?
Es besteht keine Friedenspflicht. L-EGO kann ab sofort weiter verhandelt werden, und wir sind ab sofort wieder in der Lage, das mit dem entsprechenden Druck zu unterlegen. Nach den Osterferien werden wir den bisherigen Verlauf auf einer tarifpolitischen Konferenz bewerten und dann mit allen Bundesländern beraten, wie es jetzt weiter geht. Die Kollegen und Kolleginnen, die in den Warnstreiks der letzten Wochen am aktivsten waren, sind auch diejenigen, die am meisten Druck haben - in Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder NRW. Wir werden die Arbeitgeber auffordern, unverzüglich die Verhandlungen um die Eingruppierung wieder aufzunehmen. Es kann im Zuge dieser Auseinandersetzung selbstverständlich zu Streiks kommen.

Einfach wird es aber nicht werden, die Erfahrungen haben wir ja 2011 schon gemacht. Wenn einmal wie jetzt ein Abschluss gefunden ist, wird die erste Reaktion der Arbeitgeber auf unsere Eingruppierungsforderung sein: »Was wollen die denn jetzt noch?« Wir werden es auf jeden Fall nicht hinnehmen, dass der jetzige Zustand noch einmal auf Jahre zementiert wird. Fragen Jörg Meyer