Das Rezept für Kuku

»I love I« im Ballhaus Naunynstraße

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mal tanzen sie mit-, mal gegeneinander. Nähern sich einander an und weichen wieder zurück, wälzen sich auf der leeren weißen Bühne herum, wirbeln, springen, klatschen sich ab und schleudern sich herum. Zwei Iraner und zwei Israelis oder auch: zwei Frauen und zwei Männer stehen für das Tanzstück »I love I« auf der Bühne - die nunmehr vierte Inszenierung der deutsch-persischen Choreografin Modjgan Hashemian im Ballhaus Naunynstraße.

Ihre Heimat und die schwierige, von Diktatur und drohendem Krieg geprägte Situation dort, das sind die Themen, die Modjgan Hashemian umtreiben und die sie in ihren Choreografien umsetzt. Obwohl sie selbst fast ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hat: Als Sechsjährige kam sie mit ihrer Familie von Teheran nach Deutschland und sollte ihr Heimatland erst 2009, ganze 27 Jahre später, wiedersehen. So geht es in »Dont’t move« um das seit 1979 geltende Tanzverbot in Iran, »In Motion« beschäftigt sich mit der existenziellen Krise von Exilanten, am Beispiel des 2010 nach Berlin geflohenen persischen Schauspielers und Tänzers Kaveh Ghaemi.

Ghaemi ist auch diesmal wieder dabei, neben der ebenfalls aus Teheran stammenden und in Frankfurt am Main aufgewachsenen Maryam Zaree; die israelische Seite vertreten die Choreografin Shiran Eliaserov und der Performer Michael Shapiras.

In kurzen, oft witzigen Szenen führen die Tänzer Vorurteile ad absurdum und nähern sich behutsam einander an, ohne sich jedoch ganz aus ihrem jeweiligen Kontext befreien zu können. Da rezitiert Maryam Zaree das Rezept für Kuku, eine Art persisches Kräuter-Omelett, während ihre Kollegen den Akt des Kräuterzupfens und -schüttelns, des Eier-Schlagens, Rührens und Drehens an ihrem Körper vollziehen. Mal führt eine Performerin rasend schnell eine Art Kuss-Ritual vor, das die anderen dann nachahmen, mal drehen sich alle vier zu Sirtaki-Musik, die immer schneller und schriller wird.

Die vielleicht wichtigste Szene spielt unter dem »Coal Circle« von Bühnenbildnerin Shira Wachsmann, der über der ansonsten leeren Bühne hängt - eine Konstruktion aus einem großen und einem kleineren Kreis, verbunden durch weiße Gummibänder, an denen schwarze Bommeln hängen. Während Maryam Zaree in makellosem Englisch einen pathetischen Vortrag über das Verhältnis von Iran, USA und Israel hält, senkt sich der Kreis herab, die drei Zuhörer lösen die langen Gummibänder und lassen sie schwungvoll durch die Gegend schnalzen; auf Warnruf hin wirft sich die Vortragende kurz zu Boden, um dem Geschoss auszuweichen, und führt dann ungerührt ihr Referat weiter. Eine kluge und humorvolle Metapher auf die vielen sinnlosen Politreden voller Worthülsen!

Die Tänzer konfrontieren sich und die Zuschauer mit Feindbildern, Stereotypen und Zuordnungen, die zum Teil sehr tief sitzen und schwer zu überwinden sind. Tanz ist für Hashemian Ausdruck von Gefühlen wie Angst und Schmerz - doch gibt es in ihren Choreografien immer Platz für Befreiungsschläge und Brücken.

Weiter: 11.3., 20 Uhr, Ballhaus Naunynstraße, Naunynstraße 27

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