Schalke genießt die Auferstehung

Nach dem Derbysieg gegen Dortmund steht plötzlich sogar Trainer Keller wieder hoch im Kurs

  • Andreas Morbach, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 3 Min.

Marcel Schmelzer war mit seiner Meinung zur zweiten Dortmunder Derbyniederlage in dieser Saison als erster zur Stelle. Vor der tobenden Nordkurve schlitterten noch reihenweise blau-weiß gekleidete Fußballer über den Rasen, da fällte der schwarz-gelbe Linksverteidiger der Borussia im Inneren der Schalker Arena bereits sein schonungsloses Urteil. »Es ist echt zum Kotzen. Wir haben die ganze erste Halbzeit verschlafen - eine Frechheit! Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen«, befand Schmelzer. Aber so rasch waren die restlichen erneut düpierten Meister nach dem 1:2 auf Schalke noch gar nicht zum Bußgang bereit.

Jürgen Klopp zumindest berichtete nach einer ersten Stippvisite bei seinem Team: »Die Mannschaft sitzt in der Kabine wie ein Häufchen Elend.« Dem Trainer ging es am Abend kaum besser. Beim 1:2 im Hinspiel hatte er sich mit einer gewagten Taktik verpokert, und nun sah sich Klopp dem Vorwurf ausgesetzt, ein Wiederholungstäter zu sein. So brachte er Nationalspieler Marco Reus aus Gründen der Schonung erst zur zweiten Hälfte, in der es für den BVB nach dem 0:2 zur Pause deutlich besser lief. Und in die Startelf beorderte er anstelle von Felipe Santana, der beim 3:0 gegen Donezk in der Champions League stark gespielt hatte, Mats Hummels.

Doch die Stammkraft in Dortmunds Innenverteidigung wirkte nach zehn Tagen Grippe nicht auf der Höhe des Geschehens. »Diese Niederlage fühlt sich für uns ein bisschen unnötig an«, gestand Klopp, ihre Ursache wollte er aber nicht in der Reus-losen ersten Hälfte sehen: »Heute waren unsere Probleme eher defensiv, die hätte Marco auch nicht unbedingt verhindern können.«

Die Schalker jedenfalls hatten gegen Klopps Personalentscheidungen nichts einzuwenden - nachdem sie sich zuvor ihrerseits angemessen auf das Derby eingestimmt hatten. Julian Draxler legte sich für den Besuch aus Dortmund extra eine neue Frisur zu - mit an den Seiten kurzgeschorenen Haaren. »Das ist ein Kampfschnitt fürs Derby«, erklärte der 19-Jährige - während Benedikt Höwedes die versammelte königsblaue Gemeinde in Stimmung brachte, als er kurz vor Anpfiff seine Vertragsverlängerung bis 2017 verkündete.

Rasant gebessert hat sich mit den jüngsten Schalker Erfolgen auch das Meinungsbild zu Jens Keller. Die Entscheidung über dessen Zukunft als Cheftrainer sei noch nicht gefallen, betonte diesmal Manager Horst Heldt - der vor drei Wochen noch erklärt hatte, man werde sich in der Trainerfrage im Sommer wohl neu orientieren. Das Geschäft ist schnelllebig, schon nach dem Achtelfinalrückspiel in der Champions League gegen Galatasaray Istanbul am Dienstag kann der Wind wieder drehen.

Immerhin: Die Chancen der Schalker, bei denen Klaas-Jan Huntelaar verletzt mehrere Wochen ausfällt, stehen nach dem 1:1 im Hinspiel am Bosporus gut - was Jungstar Draxler schon am Samstag in Feierlaune versetzte: »Natürlich wissen wir, dass wir gegen Galatasaray spielen und fit sein müssen. Aber heute Abend wird man sich ein Bier genehmigen können.« Denn: »Ein Derby wäre kein Derby, wenn man es danach nicht genießen könnte.«

In dem Punkt haben es die Dortmunder aktuell schwerer als ihre ungeliebten Nachbarn. Schalke ersteht gerade aus den Ruinen schlimmer Wintermonate auf, bei der Borussia dagegen sind mit den Titeln der vergangenen Jahre und den grandiosen Auftritten in der Champions League die Erwartungen gestiegen. Den großen Sieg über Donezk am Dienstag, berichtete Trainer Klopp, habe das Team gar nicht genießen können.

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