nd-aktuell.de / 13.03.2013 / Kultur / Seite 35

Verbannung als Chance

Renato Baretic entführt uns auf eine entlegene Adria-Insel

Mona Grosche

»Zuerst kommt Erstchen, und dann, wenn Sie in Zweitchen anlegen, wartet ein gewisser Toni auf Sie. Er fährt Sie mit einem Boot nach Drittchen!« Niederschmetternder könnte die Botschaft nicht sein, die der Politiker Siniša an einem öden Regentag erhält. Mit nur vier Taschen seiner Habe soll er zwei Jahre auf der am weitesten von der Küste entfernten Insel Dalmatiens bleiben. Dort gilt es zu vollbringen, woran bereits sieben Vorgänger in den letzten zehn Jahren scheiterten: lokale Wahlen abhalten und eine Verwaltung errichten.

Bei allem Verdruss kann Siniša die Schuld hierfür nur bei sich selbst suchen. Persönliche Dummheit ließ ihn zur »Persona non grata« werden, denn ein von ihm produzierter Skandal bescherte seiner Partei hohe Verluste bei den Zagreber Kommunalwahlen.

Die einzige Chance auf ein politisches Comeback ist, den Auftrag zu erfüllen. Kampfbereit tritt er also die Reise auf die Insel in der Überzeugung an, in wenigen Monaten Erfolge vorweisen zu können. Doch bereits auf der schier endlosen Überfahrt gerät er angesichts des unverständlichen Dialekts der Mitreisenden und des Skippers Tonino in erste Zweifel am Gelingen der Mission. Und es kommt noch schlimmer: »Drittchen« verfügt weder über eine telefonische Verbindung zur Außenwelt noch über Internet. Strom wird durch Solarzellen erzeugt, die neuesten elektrischen Geräte schafft man aus dem nahen Italien herbei, das auch den skurrilen Dialekt mit geprägt hat. Die Sprache auf der Insel ist aber auch vom Englischen beeinflusst, leben doch fast nur Menschen dort, die einst als Bergleute in Aus-tralien arbeiteten und nun den Lebensabend in der alten Heimat verbringen.

An jüngeren Männern gibt es Tonino, der auch als Übersetzer fungiert, sowie den Bosnier Samir, der sich vor der Mafia versteckt. Die einzige junge Frau ist Zehra, eine bosnische Porno-Darstellerin. Doch egal ob jung oder alt, keiner will etwas mit der Korruption und den politischen Intrigen des Festlands zu tun haben, führt man doch ein unabhängiges, idyllisches Leben. Auch Siniša lernt zunehmend die Abgeschiedenheit zu schätzen und erkennt die wichtigen Dinge des Lebens …

Bereits auf den ersten Seiten zieht Renato Baretić den Leser mit der heiter-satirischen Sprache des Romans »Der achte Beauftragte« in seinen Bann. Alida Bremer hat sie hervorragend ins Deutsche gebracht. Mit fünf Preisen ausgezeichnet begründete der Roman die literarische Karriere Renato Baretićs in Kroatien, wo er seit 2003 zu den beliebtesten zeitgenössischen Autoren gehört.

Es verwundert nicht, dass mehrere seiner Werke zu Bestsellern wurden, da er scheinbar mühelos ernste gesellschaftliche Probleme in ironisch-augenzwinkernde Geschichten fasst, die mit ihren starken Charakteren und intelligenten Wendungen ein ungetrübtes Lesevergnügen bereiten.

Renato Baretić: Der achte Beauftragte. Roman. A. d. Kroat. v. Alida Bremer. Dittrich. 320 S., geb., 19,80 €.