Neues vom Sheriff aus Nottingham

Wie die Gesetzliche Krankenversicherung den Bundeshaushalt saniert

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Offenbar ist dieser Regierung das ökonomische Erfolgsmodell der umlagefinanzierten gesetzlichen Krankenkassen ein Dorn im Auge. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sich der Finanzminister ungeniert aus der Kasse bedient und der Gesundheitsminister Versicherte abwerben will.

Seit die 134 Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Milliardenüberschüssen glänzen, nehmen die Begehrlichkeiten kein Ende. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte angekündigt, den Zuschuss des Bundes für den Gesundheitsfonds im kommenden Jahr um 3,5 Milliarden Euro zu kürzen. Geplant waren zwei Milliarden Euro. Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) macht darauf aufmerksam, dass die Zweckentfremdung von Versichertengeldern zur Sanierung des Bundeshaushaltes schon zum zweiten Mal stattfindet. Das sei alles andere als verlässliche Finanzpolitik, findet vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner.

Wie der vdek fürchten auch alle anderen gesetzlichen Kassen, dass die Rücklagen im kommenden Jahr schnell dahin schmelzen. Die gestrichene Praxisgebühr muss gegenfinanziert werden und verschiedene Gesetze und Pläne aus dem Hause des Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) haben Ausgabensteigerungen der Krankenkassen für Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker zur Folge. »Die Rücklagen schrumpfen in 2014 dahin«, befürchtet vdek-Chefin Elsner. »Wir erwarten deshalb, dass bei schlechter werdender Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen der Staat ebenso schnell, wie er Überschüsse zweckentfremdet, Defizite der Krankenkassen wieder ausgleicht«, schickt sie als Warnung hinterher. Die dürfte ungehört verhallen, solange das Gesetz den Kassen vorschreibt, bei klammen Verhältnissen Zusatzbeiträge zu erheben, die von den Versicherten allein bezahlt werden müssen. Darauf wird der Finanzminister dann schon pochen.

Für Gesundheitsexpertin Martina Bunge von der Linksfraktion im Bundestag spielt der Bundesfinanzminister den Sheriff von Nottingham: Nehmt es den Armen und gebt es den Reichen! Bunge erinnert daran, dass der Steuerzuschuss kein Almosen an den Gesundheitsfonds ist, sondern eine pauschale Ausgleichszahlung für staatliche Aufgaben. Gemeint sind beispielsweise die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten oder Kindern, Leistungen rund um Schwangerschaft und Mutterschaft oder für die künstliche Befruchtung. Ohne Erklärung, was davon nicht mehr geleistet werden solle, sei die Kürzung des Steuerzuschusses Diebstahl von Versichertengeldern, so die Linkspolitikerin.

Von positiven Bilanzen, wie sie die gesetzlichen Kassen momentan vorweisen, sind die privaten offenbar weit entfernt. Mit Beitragssteigerungen zwischen sieben und zehn, im Ausnahmefall sogar fast 40 Prozent, setzt sich der Trend der Verteuerung privater Policen fort. Besonders betroffen sind ältere Versicherte, die ihre Beiträge teilweise kaum noch bezahlen können. Der Bundesgesundheitsminister ist bereits erfahren in der Rolle der Feuerwehr für die Privatversicherten. So sorgte er in der Vergangenheit dafür, dass von den gesetzlichen Kassen ausgehandelte Preisrabatte für Arzneimittel auch von den Privaten übernommen werden dürfen. Jetzt kündigt er einen Nottarif für Versicherte der Privaten Krankenversicherung an, die an der Beitragshöhe verzweifeln. Mit 100 Euro liegt dieser weit unter dem, was sich gesetzliche Kassen erlauben dürfen. Und die neueste Idee aus dem Feuerwehrauto ist es, der GKV die Wahltarife zu verbieten, damit junge Versicherte zu den privaten Kassen abwandern, wenn sie spezielle Leistungen wünschen. Wenn sich der ehrgeizige Liberale mit dieser Verbeugung vor der PKV einen Platz im Präsidium seiner Partei zu erkämpfen erhoffte, so scheiterte dieser Versuch. Das ist ein schlechtes Omen für den fragwürdigen Plan, die erfolgreiche GKV nach dem Modell der weniger erfolgreichen PKV auszurichten.

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